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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
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sagen… dann sage ich ihm das ins Gesicht.»
    «Trotzdem, du hättest Alessia nicht schlagen dürfen!», jammerte Cristino, gänzlich von ihrem schönen Alexandre de Mergoult verlassen. «Eine Dame tut so etwas nicht!»
    «Das war ein Notfall», erklärte Catarino von oben herab. «Im Notfall darf man alles, sogar töten, sagt der Priester. Schade. Ich hätte Alessia besser gleich die Kehle durchschneiden sollen, was meint ihr? Das hätte ihr Lästermaul endlich zum Stillstand gebracht.»
    «Catarino!»
    «Was, Catarino – ist doch wahr!»
    «Das ist unchristlich, was du da sagst. Unchristlich und unschicklich und undamenhaft und…»
    «Ach, halt den Mund, Cristino!»
    Die Musik setzte nun wieder ein, und die ersten Paare strebten wieder der Tanzfläche zu. Das allgemeine Getuschel war aller592
    dings mitnichten verstummt. Catarino wurde verstohlen beäugt. Die Herren betrachteten sie mit Entrüstung und Befremden, die Damen mit hellem Entsetzen, in das sich bei der einen oder anderen allerdings doch eine gewisse Genugtuung mischte. Cristino bemerkte nur den missbilligenden Anteil der Blicke und wünschte sich, in den Boden versinken zu können. Sie fühlte sich restlos entehrt. Catarinos Schandtat würde auf die ganze Familie zurückfallen, man würde mit dem Finger auf sie zeigen und sagen, die da, deren Schwester hat den Skandal bei den Mergoults verursacht, Alexandre de Mergoult würde sich von ihr abwenden, und sie würde sicherlich nie wieder eine Einladung zu einer Feier erhalten. Sie hätte Catarino erwürgen können.
    Alexandre de Mergoult betrat den Raum ungefähr zehn Minuten später wieder, den zurückgebliebenen Herren zur allgemeinen Erleichterung verkündend, dass weder Alessias Gesundheit noch ihre Schönheit bleibend unter den Geschehnissen leiden würde. Und zu Cristinos Verzückung nahm er daraufhin dem nächstbesten Diener zwei Weingläser ab, trat auf sie zu und sagte: «Kommt, Cristino, trinken wir auf Eure Gesundheit!»
    Ach, es war ein herrlicher Abend! Catarino, die dumme Nuss, hatte sich mit ihrem undamenhaften Ausbruch völlig an den Rand gedrängt, weshalb sie von keinem der anwesenden Herren mehr zum Tanzen aufgefordert wurde – wer will sich auch mit einem Weib abgeben, das Fausthiebe austeilt –, aber Cristino stand im Mittelpunkt des Geschehens. Alexandre de Mergoult führte sie den ganzen Abend am Arm; und da dort, wo Alexandre de Mergoult war, stets alle waren, war sie umlagert wie sonst nur Alessia – arme Alessia… zu dumm, dass Catarino sie in einen indisponierten Zustand versetzen musste! Man reichte ihr Wein und Häppchen, machte ihr Komplimente, der junge St. Roque küsste ihr sogar die Hand, und der junge Brieul, der vorhin noch mit Catarino getanzt hatte, schwänzelte um sie herum wie ein Hund um sein Frauchen. Nicht, dass die Gespräche der jungen Herren so mitreißend waren; Mergoult und seine Kumpels unterhielten sich wechselweise über die Jagd – «ein Keiler, ich sag’s dir, mit Hauern wie Krummsäbel!»
    –, über Politik – «He, Mann, dem Engländer muss man eins auf die Nase geben, sonst wird er frech, der Engländer!» – und über die 593
    Hinrichtung von zwei Protestanten an der Pin de Genas, derer sie am Vortag Zeuge geworden waren – «Und der eine, der hatte so ein Kreuz in der Hand und hat dauernd so ein Lutheranergeschwätz vor sich hingejammert, ‹Einefesteburgistunsergott› und so, aber echt, genau in dem Tonfall, ‘ne richtig olle Sau war das!» Aber geschmeichelt von der allgemeinen Aufmerksamkeit, ignorierte sie das, ignorierte sie alles, sie war die Königin des Abends, es war herrlich!
    Ab und zu warf sie ihrer Schwester einen mitleidigen Blick zu. Diese stand bei Fabiou, dem Langweiler, der sich wie immer in die hinterste Ecke des Raumes zurückgezogen hatte, und Victor, dem Brouche, der Diener, zwar mittlerweile ein neues Hemd gebracht hatte, der ansonsten aber blass und unscheinbar wie immer war. Catarino machte mittlerweile selbst ein reichlich betrübtes Gesicht, offenbar tat es ihr nun doch leid, sich derart vergessen zu haben. Doch natürlich, ihr Stolz ließ es nicht zu, sich bei Alessia zu entschuldigen, Cristino kannte ihre Schwester, lieber nahm sie es auf sich, Ais’ Gesprächsthema Nummer eins zu werden. Das erfüllte Cristino mit Trauer und erneut mit der nagenden Angst, etwas von Catarinos Schande könne auf sie zurückfallen. Was schließlich, wenn Alessias Vater Frederi zum Duell herausforderte? Frederi, der Versager,

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