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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
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würde selbstverständlich verlieren und dabei ums Leben kommen, und dann wäre Onkel Philomenus ihr Vormund, und der würde sie höchstwahrscheinlich an den meistbietenden Pfeffersack versteigern, um Geld einzustreichen und sie möglichst schnell los zu sein, und statt Alexandre de Mergoult zu heiraten, würde sie ihr Leben an der Seite eines Niederen verbringen und den Rest ihrer Tage mit Fußbodenschrubben zubringen müssen. Dieser Gedanke fraß den ganzen Abend an ihr, war dabei bei jedem Tanz, jedem Kompliment der Burschen und jedem bewundernden Lachen, das sie Alexandre de Mergoult schenkte. Bis zehn Uhr nachts. Um zehn Uhr nachts fasste Cristino nämlich einen Entschluss. Den Entschluss, nicht tatenlos zuzusehen, wie ihre Schwester sie und die Familie ins Unglück stürzte. Catarino mochte ja die Ältere sein – um zehn Minuten –, aber sie war zweifelsohne die Vernünftigere. Sie würde zu Alessia gehen und sich an Catarinos statt entschuldigen. Alessia, würde sie sagen, ich weiß, meine Schwes594
    ter hat dich schwer beleidigt, aber ich bitte dich im Namen meiner leidgeprüften Familie, vergib ihr. Und Alessia, beeindruckt von ihrer menschlichen und moralischen Größe, würde in Tränen ausbrechen und sie umarmen, und dann wäre alles gut, Frederi würde am Leben bleiben und sie Alexandre de Mergoult heiraten. Das waren Aussichten, für die es sich zu kämpfen lohnte, und so entschuldigte sich Cristino gegen halb elf bei Alexandre de Mergoult und seinem Freundeskreis und verließ den Saal durch die Tür, die zu dem beschriebenen kleinen Zimmer führte, in das man Alessia gebracht hatte. Einen Moment lang überlegte sie noch, ob es vielleicht einen noch besseren Eindruck machte, wenn Catarino mit ihr käme, doch als sie sich umsah, war Catarino gerade nirgends zu entdecken
    – wahrscheinlich saß sie in irgendeiner Ecke und schmollte –, und Cristino zuckte mit den Schultern und ging allein. Die Tür führte auf einen kurzen Gang, an dessen beiden Seiten Tapetentüren zu erahnen waren – vermutlich lagen hier Lagerräume oder sogar eine kleine Küche, um den reibungslosen Ablauf von Festivitäten zu ermöglichen. Die einzige Tür, von der man wollte, dass man sie sah, lag am gegenüberliegenden Ende des Gangs. Das musste das Zimmer sein, in das sie Alessia gebracht hatten. Eine Öllampe brannte in einer Halterung an der Wand und tauchte den Gang in ein grusliges Schummerlicht, das Cristino ihren Entschluss sofort bereuen ließ. Der Traum. Was wenn dies ein Gang wie in ihrem Traum war?
    Ein Gang, in dem der Tod lauerte?
    Sie schüttelte heftig den Kopf. Blödsinn. Der Gang hatte keine Ähnlichkeit mit ihrem Traum, sie war im Haus der Mergoults, zwanzig wackere Kavaliere nur wenige Schritte und eine Tür hinter ihr, also stell dich nicht so an, Mädchen! Denk lieber an die arme Alessia! Es musste ihr sehr schlecht gehen, wenn sie sich den ganzen Abend nicht mehr sehen ließ, zumal die Herren, die sie begleitet hatten, ausnahmslos in den Saal zurückgekehrt waren. Bestimmt hatte der Schlag ihr gesamtes Humoralsystem durcheinandergebracht und sie brauchte zwanzig Aderlässe, bis sie wieder gesund war, und Frederi durfte die Arztkosten übernehmen, und dann würde er ihnen ihr nächstes Kleid im Jahr 1600 kaufen!
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    Die Lampe flackerte an der Wand, Schatten, die sich bogen auf der seidenen Tapete. Cristino begann unwillkürlich, das Ave Maria herunterzuleiern. Ave Maria Mutter Gottes voll der Gnaden du bist gebenedeit unter den Weibern und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes Jesu heilige Mutter Gottes steh uns bei und bitte für uns jetzt und in der Stunde unseres Todes…
    … in der Stunde unseres Todes…
    Die Hand griff aus dem Nichts nach ihr. Sie wollte schreien, doch das Entsetzen würgte ihre Stimme ab. Ein fremder Körper gegen den ihren, ein fremder Arm um ihre Brust, der sie an sich presste, so fest, dass jede Bewegung unmöglich war. «Ganz ruhig», sagte eine Stimme, «ganz ruhig, es tut nicht weh.» Cristino war ruhig. Vollkommen ruhig. In aller Ruhe starrte sie auf die Messerklinge, die in einer behandschuhten Hand lag und sich langsam auf ihre Kehle zubewegte.
    Dann sprang er in ihr Gesichtsfeld, ein seltsames schwarzes Glitzerwesen, Schatten einer flackernden Flamme huschten über sein Gesicht, ein Gesicht starr und weiß wie Alabaster, schwarze Löcher die Augen und ein Streifen Rot über seine rechte Gesichtshälfte. Etwas lag in seiner Hand, eine Steinschleuder, wie Frederi Jùli

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