Die Kinder des Ketzers
Sébastien den Verfall der Wertvorstellungen des Rittertums bekla- gen muss und auch ansonsten ziemlich schreckliche Dinge passieren Luenh de preson a d’amics una ardada,
cascun li fa la granda bonetada
tant que lo juòc de fortuna li ditz.
Mais si los dats encòntra d’eu si tornan
e que sergents dins aquest luòc l’enfornan,
coma lo fum se pèrdon los amics.
Fern vom Gefängnis hat man eine Menge Freunde,
jeder begrüßt einen mit großem Hallo,
solange das Spiel einem Glück verspricht.
Aber wenn sich die Würfel gegen einen wenden
und man von Sergeanten eingesperrt wird,
verschwinden die Freunde wie Rauch.
Bellaud de la Bellaudière, provenzalischer Poet und Abenteurer (1543-1588), Lo Dòn-dòn infernau
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Die Erde ist eine Kugel, die sich um ihre eigene Achse und um die Sonne dreht. Es scheint also nur so, als stünde die Welt still und die Sonne klettere über den Horizont, steige empor am Firmament bis zu ihrem Zenit; in Wirklichkeit ist es die Sonne, die stillsteht im All, und die Erde, die sich bewegt. Der Mensch sitzt auf ihr wie auf dem Deck eines Schiffes, und wie dieses Schiff einer fernen Insel zufährt und diese sich unablässig zu nähern scheint, so trägt die Erde den Menschen, der auf ihrem Rücken sitzt, der Sonne entgegen, unablässig, unabänderlich. Eine Bewegung im Raum, eine Bewegung in der Zeit. Denn gleichzeitig schreitet die Zeit fort, angezeigt durch das scheinbare Aufsteigen der Sonne am Himmel, und so wird der Mensch von jener unglückseligen Rotation eines Himmelskörpers gnadenlos seinem Schicksal entgegengetragen. Fabiou saß auf dem Boden vor der Mauer des Castel de Mergoult, auf jenem Boden, der sich Stück für Stück einer Sonne entgegendrehte, die schon einen gleißenden Streifen Lichts über den Horizont schickte, und verfluchte das Weltgefüge, das Universum und die Physik. Oh ja, Onkel Pierre hatte recht gehabt, dessen war er sich auf einmal voll und ganz gewiss. Die Sonne drehte sich nicht um die Erde. Wieso sollte sie. Was konnte einen Himmelskörper wie die Sonne dazu bringen, sich um einen Ort wie die Erde zu drehen, einen Ort, der von einer Rasse von Irren beherrscht wurde, die sich Menschen nannten und sich auch noch etwas darauf einbildeten?
Er fühlte sich wie gerädert. Nach zwei Nächten quasi ohne Schlaf hatte ihn weder der harte Untergrund noch die Sorge um Loís vom Schlafen abhalten können; Fabiou, der sein Leben lang nie anders als in einem weichen Bett geschlafen hatte, war im sandigen Gras vor den Mauern des Castels eingeschlummert, noch bevor der Mond aufgegangen war. Als ihn die Kälte der frühen Morgenstunden aus dem Schlaf holte, waren seine Glieder steif, seine Nase lief und hinter seinen Lidern pochte ein schmerzender Puls. Bibbernd drückte er sich in den Windschatten der Mauer und wartete. Wartete und betete. Bitte, lieber Gott, mach, dass Frederi endlich kommt. Bitte. Du kannst doch einfach nicht zulassen, dass Loís stirbt, lieber Gott. Oder?
Gott hatte seines Wissens schon so einiges zugelassen. 802
Als sich die Tore des Castels quietschend öffneten und Alexandre de Mergoult hoch zu Ross in den Morgen hinausritt, war die Sonne bereits über den Horizont geklettert und hatte das Land und den halb erfrorenen Fabiou erwärmt. Es war ein wunderschöner, makelloser Julitag, der heiß wie die vergangenen Tage zu werden versprach.
Fabiou sprang auf die Füße, kaum dass er das Tor knarren hörte. Er stöhnte leise auf, denn ihm tat wirklich alles weh. Doch der Anblick, der sich ihm bot, ließ ihn sein körperliches Unbehagen schlagartig vergessen.
Es war ein wahrer Triumphzug, der sich da Richtung Dorf wälzte. Voraus ritt Alexandre de Mergoult, wie ein Feldherr an der Spitze seines Heeres. Dann folgten, der treue Geleitschutz, Bertran de St. Roque und Brieul. Hinter ihnen kam Jean, der zu Fabious grenzenlosem Ärger auf seinem Falben ritt, gefolgt von seinen Kumpanen. Dann kam der Parlamentspräsident, aufrecht auf einem prachtvollen Rappen sitzend, das Lächeln auf seinem Gesicht Autorität in Reinkultur. Dann kam eine größere Menge bewaffneter Diener. Und dann kam Loís.
Er saß wieder auf dem Kutschpferd, umringt von fünf berittenen Waffenknechten, von denen einer das Pferd am Zügel hielt. Nicht dass er so aussah, als ob er zu einem Fluchtversuch in der Lage sei. Loís hing wie betrunken auf dem Rücken des Pferdes, die Hände gefesselt, das Gesicht so bleich wie der Tod, wenn man von dem dunkelblauen Bluterguss absah,
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