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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
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und Bossard und Jean Maynier d’Oppède selbst? Duran de Pontevès? Oder war er nur ein unbeteiligter Mitwisser? De la Font, Mayniers treuer Steigbügelhalter? Corbeille?
    Oder sagte er die Wahrheit, wenn er behauptete, dass er nichts mit 844
    der Vernichtung der Bruderschaft zu tun hatte? Trostett? Vermutlich, woher sonst hätte er die Einzelheiten gekannt! Wieso sonst würde er sich die Schuld geben für alles, was daraufhin passiert ist!
    Einer war ganz gewiss unter ihnen – der Verräter. Doch wer war es? Kommt denn überhaupt jemand anderes in Frage als Frederi?
    Wer immer sie waren, in jenen Abendstunden am Vorabend der Katastrophe fügten sie dem blutigen Beschluss vom Sonntag eine Fußnote hinzu, klein genug, um im Sturm der Ereignisse unterzugehen, ohne dass ein Außenstehender ihrer gewahr wurde.
    «Bereits am nächsten Morgen, noch bevor sich in der Stadt mehr als die ersten Gerüchte des geplanten Vorhabens herumgesprochen hatten und sich auch nur der geringste Widerstand gegen dasselbe hätte formieren können, wurde der Plan in die Tat umgesetzt. Die Kommissare und wenig später auch Jean Maynier d’Oppède brachen nach Cadenet auf, um dort mit Polin, Vaujouine und deren Truppen zusammenzutreffen. Am 16. April bereits sollte die Aktion beginnen.»
    Wie hatten sie davon erfahren? Waren es nur Gerüchte, die mehr und mehr aus den Reihen des Parlaments nach außen drangen oder von Marsilho aus Ais erreichten, dass Truppenbewegungen im Gange seien und Soldaten in Richtung Luberoun zogen? Oder hatten sie einen Informanten im Parlament gehabt, einen, der dem Arrêt ablehnend gegenüber stand und versuchte, das seine dagegen zu tun, indem er die Bruderschaft von dem Geschehen in Kenntnis setzte?
    «Am Abend des 15. April brach ich, Docteur Pierre Martin Avingou, zusammen mit Baron Cristou Kermanach de Bèufort, Baron Hector Degrelho d’Astain, Seigneur Rouland de Couvencour und einigen anderen, beseelt von dem Wunsch, ein abscheuliches Verbrechen gegen Gott und die Menschlichkeit zu verhindern, nach Mérindol auf, mit dem Vorsatz, die dort lebenden Menschen von der geplanten Durchführung des Arrêt in Kenntnis zu setzen und zu warnen. Wir ritten die ganze Nacht hindurch und erreichten Mérindol im Morgengrauen.»
    Es bleibt uns nur die letzte Lösung, stand in jenem Brief aus dem confidentiel und: möge Gott uns verzeihen. Was verzeihen? Eine Warnung an ein paar harmlose Menschen, die von einem Heer 845
    aus Halsabschneidern bedroht werden? Was hatte die Bruderschaft sonst noch geplant, um Maynier aufzuhalten? Was war die letzte Lösung, um Himmels willen?
    «Mérindol war völlig ruhig, noch war keine Spur von Mayniers Söldnertruppe zu sehen. Eilig weckten wir die Menschen und setzten sie von dem bevorstehenden Angriff in Kenntnis. Rasch suchten sie die nötigsten Habseligkeiten zusammen und flohen in die Wälder und Schluchten des Lubéron. Wir verließen Mérindol in dem befriedigten Glauben, das Schlimmste verhindert zu haben. Wir hatten uns so getäuscht. Noch wussten wir nicht, wozu Machtgier und Gewalt fähig waren.»
    Ein paar junge Leute im Licht eines Aprilmorgens, Erleichterung auf ihren Gesichtern, Schulterklopfen. So einfach kann es sein, einem König, einem päpstlichen Legaten und einem Parlamentspräsidenten die Tour zu vermasseln.
    «Auf der Straße nach Lourmarin erreichten uns die ersten Gerüchte, und spätestens, als wir die ersten Fliehenden trafen, die wenigen Glücklichen, die ein Pferd ihr Eigen nannten und jung und stark genug waren, sich den Weg ins Freie zu erkämpfen, da begriffen wir, wie Mayniers Plan wirklich aussah. Ein Teil der Armee war unter Führung des Capitaine Polin von Cadenet aus zunächst nach Osten gezogen und dann auf die Dörfer am Südrand des Grand Lubéron zumarschiert. Dort hatte das Gemetzel begonnen. St. Martin de la Brasque, Peypin d’Aigues, La Motte d’Aigues, Grambois, Cabrières d’Aigues, ein Dorf nach dem anderen wurde im Sturm genommen. Während die königlichen Truppen noch mit einem Mindestmaß an Disziplin vorgingen, wütete der zusammengewürfelte Söldnerhaufen wie die wilden Bestien in den bedauernswerten Dörfern. Die nichts ahnenden Bewohner wurden aus ihren Häusern gezerrt, die Männer erschlagen, die Frauen vergewaltigt und dann getötet, das Vieh abgeschlachtet und die Häuser in Brand gesteckt. Unbeschreibliche Gräueltaten wurden uns von den Fliehenden berichtet. Von Menschen, die man an die Wände ihrer Häuser genagelt hatte,

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