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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
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seien, wenn sie blieben. In Panik flohen diese daraufhin auf die Wälder zu. Doch es waren Alte und Kranke unter ihnen, die nur langsam vorankamen, und der Weg bis zum Waldrand war weit und führte einen ungeschützten, steil ansteigenden Hang hinauf, und Mayniers Söldner rückten mit jeder verstreichenden Minute näher. Eine kurze Zeitlang trugen wir uns mit dem Gedanken, uns ihnen in den Weg zu stellen, den fliehenden Menschen den Rücken zu 848
    decken, doch angesichts der Meute von Hunderten schwer bewaffneter Söldner, bereits blutbedeckt vom Niedermetzeln des vorangehenden Dorfes, wurde uns rasch die Hoffnungslosigkeit eines solchen Unterfangens klar, und wir beschlossen, ebenfalls zu fliehen, bevor die Horde in ihrem Blutrausch auch uns in Stücke hackte.»
    Er dachte an den Luberoun, seine schroffen Felsabhänge, seine grünen Pinienwälder, die Sonne, die auf Ginsterbüschen glänzte. Er sah sie dort stehen, auf dem Dorfplatz vor dem kleinen, gedrungenen Kirchlein, die Bruderschaft, die Helden von St. Francès, plötzlich nichts mehr übrig von der Unerschrockenheit, mit der sie fast zehn Jahre lang die Menschen des Luberoun begeistert hatten. Was hatten sie getan, dort, inmitten der verlassenen Häuser, mit den Fliehenden auf der einen Seite und der näherrückenden Armee auf der anderen? Sie hatten gestritten, sicherlich. Zwei Parteien. Die eine, die für eine sofortige Flucht war, die begriffen hatte, dass die Horde, die sich da von Osten näherte, sie wahrscheinlich genauso gnadenlos niedermetzeln würde wie die Bauern in den Dörfern am großen Luberoun. Die andere, die dafür stimmte, zu bleiben, die es sich schlichtweg nicht vorstellen konnte, davonzulaufen und die fliehenden Menschen ihrem Schicksal zu überlassen. Die es sich schlichtweg nicht vorstellen konnte, dass diese Soldaten bereit sein sollten, ihre Waffen gegen sie, Edelleute des Luberoun, zu erheben! Wer hatte dafür gestimmt zu bleiben? Hector Degrelho, der großartige Degenkämpfer? Cristou Kermanach de Bèufort? Der Anwalt, der sich so oft für die Andersgläubigen eingesetzt hatte?
    Pierre Avingou mit seinem unerschöpflichen Reservoir an schlauen Einfällen? Warum kam ihm diesmal keine geniale Idee, irgendetwas, was die anrückenden Truppen wenigstens ein paar Minuten aufhalten würde?
    «Als wir uns schließlich mit schwerem Herzen zur Flucht wandten, scherte Raymoun de Labarre aus unserer Reihe aus und erklärte, es sei eines Ritters, wie er es war, unwürdig, Menschen in Not im Stich zu lassen, und wollte sich aufmachen, den herbeistürmenden Truppen in den Weg zu treten. Wir versuchten ihn zurückzuhalten, ahnend, dass er in seinen sicheren Tod ritt, doch Labarre wies uns zurück und ritt die Straße hinunter, Mayniers Soldaten entgegen.»
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    Er konnte ihr Entsetzen spüren, wie sie dort innehielten auf dem Weg, umweht vom Rauch brennender Dörfer, der Lärm einer todbringenden Armee im Nacken, die sie hören, aber nicht sehen konnten, denn noch versperrten die Häuser von Merindou die Sicht. Du wirst nicht gehen, schreit ihn einer an, Hector Degrelho wahrscheinlich, er ist ein realistisch denkender Mensch, er hat das Unvermeidliche akzeptiert. Natürlich gehe ich, brüllt Raymoun de Labarre, und versuch mich nur zurückzuhalten, wenn du dich traust! Willst du sterben, schreit Degrelho, willst du das, du Schwachkopf?, und Labarre sagt nichts, wendet nur sein Pferd, er ist Coeur de Lion, ein Ritter mit der Pflicht, die Wehrlosen und Verfolgten zu schützen, und er reitet den Weg hinab, und Degrelho schreit ihm hinterher, dann geh doch, du Idiot, geh doch und krepier, wenn du unbedingt willst, und gleichzeitig tun ihm seine Worte schon leid, denn gleichzeitig begreift er, er wird ihn nie wieder sehen.
    «Wir wandten uns den Hügeln zu, da über die offene Straße kein Entkommen war. Von der Anhöhe konnten wir die Flüchtlinge beobachten, die ringsumher die Hänge hinauf und in die Wälder flohen, und das Näherrücken der Armee. Der Baron d’Oppède ritt ihnen voran, an seiner Seite der Advocat du Roi Guérin und Capitaine Vaujouine, der Anführer der Söldnertruppe. Wir waren erleichtert über die Anwesenheit des Präsidenten, denn wenn wir ihm auch wenig Gutes zutrauten, so waren wir uns doch sicher, dass er seinen Soldaten niemals erlauben würde, einen Edelmann zu töten, und wir hofften, dass Raymoun de Labarre somit keinen Schaden nehmen würde. Labarre erwartete sie auf der Straße, die zum Stadttor hinauf führte. Als

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