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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
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Lichtglocke, die die Kerzen um den Tisch legten, von der Schwärze des Raumes attackiert, als versuche sie verzweifelt, sich dagegen zu wehren, völlig von der Dunkelheit verschluckt zu werden.
    Cristino schloss die Augen. Sie war übermüdet und überreizt, das war der Grund. Man reist ja auch nicht jeden Tag von Castelblanc nach Lourmarin. Und vor allem wird man nicht jeden Tag von Räubern entführt, kein Wunder, dass sie allmählich etwas überspannt reagierte. Trotzdem. Da war etwas, ein Gefühl, das sie an diesem Tag schon einmal gehabt hatte und das jetzt einem Echo gleich aus den Tiefen ihrer Seele wieder emporstieg. Das Gefühl des frühen Morgens, als sie um Arman de Mauvent getrauert hatte, als sie in einen Bach gestarrt und über Selbstmord nachgegrübelt hatte. Nun, es war ja auch zu erwarten gewesen, dass der Gedanke an ihre verlorene Liebe sich wieder zu Wort meldete, dachte sie, und seltsamerweise beruhigte sie diese Überlegung. Als ob Enttäuschung, Herzschmerzen, ja sogar Todessehnsucht aus Liebeskummer eine angenehme, harmlose Erklärung für die Unruhe seien, die sich in ihrem Innern ausbreitete.
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    Sie riss die Augen wieder auf. Es war still am Tisch geworden. Der alte Buous hatte sich zurückgelehnt, die Hände über dem Bauch gefaltet, er sah aus wie Krösus beim Betrachten seiner Schätze, nur düsterer. Frederi hatte den Kopf in die Hände gestützt, bleich das Gesicht im Schimmer der Kerzen, leere Augen starr auf das Holz des Tisches gerichtet. Arnac de Couvencour saß im Schatten, nur sein Gesicht ragte in den Lichtkreis hinein, die schwarzen Augen trugen ein Stück der Dunkelheit ins Innere. Trévigny war der einzige, der mit einem aufgesetzten Grinsen in die Runde blickte, sonst lag auf keinem Gesicht mehr ein Rest der ursprünglichen Fröhlichkeit.
    «Nun…», die Barouno de Buous rückte ihren Stuhl zurück und stand auf, «ich denke, ich werde mich zurückziehen… es war ein langer Tag heute.» Sie lachte auf. Es war ein hohles, leeres Lachen, das von den Wänden widerhallte wie in einer Gruft. Cristino fühlte plötzlich ihren Herzschlag. Fest, drängend klopfte er in ihrer Brust, als wolle er sich zu Wort melden, ihr mitteilen, dass sie noch lebte. Es war nicht Arman de Mauvent. Wenn sie an ihn dachte, dann mit einer gewissen Wehmut, aber nicht im Entferntesten mit irgendetwas, das ihrer momentanen Verfassung gleichkam. Seltsam – war es in der Tat möglich, die Liebe des Lebens binnen weniger Stunden derart zu vergessen? Wo sie noch heute morgen geglaubt hatte, dass selbst Jahre und Jahrzehnte ihr nicht über den Verlust von Arman de Mauvent würden hinweghelfen können? Es war nicht Arman, das Gefühl. Es war nicht Liebeskummer. Es war etwas unsagbar Schlimmeres. Dann eine Stimme, die in die Stille brach, vergnügt, unbeeindruckt von der Dunkelheit, aber zu schwach, diese zu zerreißen. Claudia. «Eine Geschichte! Wer erzählt eine Geschichte?»
    «Au ja, eine Geschichte!» Das war Frederi Jùli, wie konnte es sein, dass die Dunkelheit ihn nicht erdrückte, ihm die Worte nicht im Mund erstickte?
    «Senher de Couvencour, da Ihr so ein unglaublicher Held seid, könnt Ihr sicher auch eine schöne Heldengeschichte erzählen, nicht wahr?», fragte Sébastien de Trévigny spöttisch.
    Die dunklen Augen glitten über sein Gesicht. «Ich bin kein guter Erzähler», sagte Arnac interesselos. Seine Augen. Waren sie es, die 90
    die Schwärze im Raum verströmt hatten? Es schien die einzige vernünftige Erklärung.
    «Schade, wirklich.» Der Comte grinste anzüglich.
    «Was ist mit unseren jungen Bretonen?», fragte der tiefe Bass des Krösus. «Na, Fabiou? Kennst du nicht ein paar schöne Gruselgeschichten aus der alten bretonischen Heimat?»
    Alte Heimat? Das war im 14. Jahrhundert… Fabiou, blasse Sommersprossen hinter zuckenden Kerzenflammen. «N…nein, ich denke nicht…»
    «Schade – in der Bretagne gibt es herrliche Geistermärchen…
    hat euer Vater euch denn gar keine davon erzählt?»
    «Mein Vater ist gestorben, als ich ein Säugling war», sagte Fabiou trocken. «Ich denke nicht, dass er mir damals schon Märchen erzählt hat.»
    «Aber mir hat er Märchen erzählt!», erklärte Catarino. Ihre Stimme war anders als die der übrigen. Fordernd. Aggressiv. Etwas geschah hier, Cristino wusste nur nicht, was. «Da war diese Geschichte mit Ys», fuhr Catarino fort, hastig, als fürchte sie eine Unterbrechung, «einer Stadt, die so schön war, dass die Franzosen sie nachgebaut

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