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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
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mit beiden Händen Fleischpasteten und Apfelkuchen in sich hinein. Die Anspannung der letzten Stunden entlud sich in albernem Gelächter, Wein wurde gereicht, und Zitronenwasser, und Saft aus gepressten Orangen, und die Stimmung war so gut, dass sogar die Barouno de Buous ihre gute Laune wiederfand. Die Mädchen hatten gerötete Gesichter und glänzende Augen und berichteten ein ums andere Mal von ihrem Abenteuer und der wundersamen Rettung durch den heldenhaften Senher de Couvencour, zum besonderen Ärger des Comte de Trévigny, dessen Geschichten von Paris und Ronsard nur noch auf begrenztes Interesse stießen. Was ihn fast ebenso ärgerte, war die Tatsache, dass die Unterhaltungen zu einem großen Teil auf provenzalisch abliefen. Zwar gab sich die jüngere Generation zumindest Mühe, mit Rücksicht auf ihn französisch zu sprechen, doch die älteren Buous scherten sich einen Dreck um seine Anwesenheit, und auch die Jungs und Mädels fielen im Eifer des Gesprächs oft genug in ihre Muttersprache zurück. 87
    Wenn die anderen Herren ebenfalls eifersüchtig auf den jungen Couvencour waren, ließen sie es sich zumindest nicht anmerken. Ein ums andere Mal erhoben die Buous ihre Gläser auf den jugendlichen Helden, Frederi Jùli betrachtete Arnac de Couvencour den ganzen Abend lang mit glühenden Augen und einem durchgeistigten Strahlen auf dem Gesicht, und Fabiou dachte im Stillen, dass es wohl kein Fehler wäre, ihm ein Gedicht zu widmen, ein paar Zeilen wenigstens. Nur Frederi de Castelblanc beteiligte sich nicht an der fröhlichen Runde, und wenn die Buous ihre Becher zusammenklirren ließen, starrte er dumpf auf die hölzerne Tischplatte. Arnac de Couvencour selbst schien von all dem ziemlich unberührt, die meiste Zeit saß er ernst und wie in Gedanken versunken am Tisch und beteiligte sich nur sporadisch an den Gesprächen, und man fragte sich, ob er überhaupt begriff, dass die vergnügten Trinksprüche seiner Person galten. Schließlich war das Essen vorbei, die Kinderfrau ging, Maria Anno ins Bett zu bringen, und die übrigen Dienstboten zogen sich in die Scheune zurück, in der auch die Tiere untergebracht waren und in der sie die Nacht verbringen würden, und das Gelächter, das gelegentlich von dort herüberdrang, zeigte, dass auch sie einen vergnüglichen Abend hatten. Die Buous, die Castelblancs und die beiden jungen Herren hatten die fünf Gastzimmer einvernehmlich untereinander aufgeteilt, für allzu großen Luxus war momentan nun mal kein Raum, im wahrsten Sinne des Wortes.
    Später fragte sich Cristino oft, wann es eigentlich angefangen hatte, welches der Moment war, an dem der Abend, der zunächst so fröhlich und unbeschwert gewesen war, diesen anderen, seltsamen Verlauf genommen hatte. Zumal von diesem Moment an alles einen seltsamen Verlauf nahm, so dass sich die Frage aufdrängte, ob alles anders gekommen wäre, wenn sie es geschafft hätten, die harmlos-ausgelassene Stimmung festzuhalten, mit der das Essen begonnen hatte. Es gab eigentlich keinen Auslöser, kein Ereignis, keine Bemerkung, die aus heiterem Himmel ihre Stimmung oder die der anderen getrübt hätte. Der Moment, den sie nach langem quälenden Nachdenken schließlich als Ausgangspunkt für die Veränderung festmachen konnte, war der Augenblick, in dem die Son88
    ne hinter den Giebeln der umstehenden Häuser versank und die Dunkelheit in den Raum kroch.
    Die Dunkelheit kroch in den Raum, das war der richtige Ausdruck. Nie zuvor hatte Cristino das Dunkel als etwas Körperliches empfunden. Das Licht war in ihrem Denken stets das Substantielle, das Aktive gewesen. Das Licht drang in einen Raum ein, fiel durch ein Fenster, stahl sich durch eine Ritze, breitete sich auf der Wand aus. Die Dunkelheit war nur die Abwesenheit des Lichts, eine Art Leere, die das vordringende Licht anfüllte. Aber heute war es anders. Heute war es die Dunkelheit, die hereinkam, unter der Türschwelle hindurchsickerte, durch das Fenster in die Schankstube strömte, wo sie sich in einer Pfütze auf dem Fußboden sammelte und in die Ecken und Winkel waberte, die sie in Kürze verschluckt hatte. Jemand stand auf und schloss die Fensterläden, eine Handlung, die ihr logischer erschien als je zuvor, der ebenso verzweifelte wie unrealistische Versuch, die Dunkelheit auszusperren. Der Wirt stellte Kerzen auf den Tisch und entzündete sie, und wieder war es nicht so, dass das Licht sich ausbreitete, in die Dunkelheit vordrang; vielmehr schien es, als würde die schwache

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