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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
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er keine Frau hatte, die sich der Kinder hätte annehmen können, machte er sich auf die Suche nach einem geeigneten Kindermädchen für die Kleinen.
    Nun wollte es der Zufall, dass in eben diesen Tagen sein treuester Diener Besuch von einer Cousine erhielt, die lange Zeit bei einer entfernt lebenden Familie als Kinderfrau im Dienst gestanden hatte. Diese klagte ihm, dass ihre Dienstherren und die gesamte Familie an einem Fieber gestorben seien und der Erbe sie aus dem Haus gejagt habe. Erfreut über das glückliche Zusammentreffen der Umstände empfahl der Diener die Cousine seinem Herrn als Kindermädchen, und dieser akzeptierte erfreut und nahm die Frau in seine Dienste. Doch was weder er noch sein Diener ahnte: Das Kindermädchen war in Wirklichkeit eine Hexe und Teufelsanbeterin. Insgesamt zehn Kinder hatte sie bereits auf dem Gewissen, alles Kinder ihrer letzten Herren, die sie ermordet und ihre Leichen für ihre schändlichen Rituale missbraucht hatte, und für diese Ver95
    brechen war sie eingekerkert und zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt worden, doch mit ihrer Hexenkunst war es ihr gelungen zu fliehen. Denn noch genügten dem Teufel die Zahl ihrer Opfer nicht, dreizehn sollten es sein, die dämonische Zahl dreizehn. Die Zeit verging, die Mädchen wuchsen und wurden von Tag zu Tag schöner, und in seinem Glück und seiner Zufriedenheit merkte der Onkel gar nicht, wie seltsame Dinge sich ereigneten. Einmal, als die Mädchen morgens aufstanden, hatten sie feuerrote Male wie Brandwunden an den Handflächen. Das ist, weil das Kindermädchen uns an der Hand gehalten hat, sagten sie, doch als der Onkel das Kindermädchen danach fragte, sagte es nur, es käme vom Morgentau. Ein anderes Mal erwachten die Kinder mit feuerroten Malen am Hals. Das ist, weil das Kindermädchen uns dort gewaschen hat, sagten sie, doch das Kindermädchen sagte dem Onkel, es käme vom Morgenwind. Schließlich erwachten die Kinder eines Morgens, jede mit einem feuerroten Mal mitten auf der Stirn. Das ist, weil das Kindermädchen uns auf die Stirn geküsst hat, sagten sie. Da wurde der Onkel allmählich unruhig, doch wieder gelang es dem Kindermädchen, ihn zu beruhigen, indem es sagte, es ist nichts, es ist der Kuss der Morgensonne.
    Wenige Tage später musste der Onkel in dringender Angelegenheit verreisen. Er nahm fast alle Diener mit und ließ die Kinder zurück in der Obhut des Kindermädchens. Des Nachts lagen die Mädchen friedlich in ihren Betten und träumten, als von fern die Glocke eines Kirchturms schlug. Einmal. Zweimal. Dreimal. Viermal. Fünfmal. Sechsmal. Siebenmal. Achtmal. Neunmal. Zehnmal. Elfmal. Da, beim zwölften Glockenschlag, flog die Tür zum Zimmer der Kinder auf, und herein stürzte das Kindermädchen, die Haare flammend von den Feuern der Hölle, der Mund aufgerissen wie ein Wolfsrachen, so dass giftiger Speichel von ihrer Zunge troff, während ein diabolisches Lachen wie infernalisches Geheul aus ihrer Kehle drang. Vergebens versuchten die Kinder, aus dem Raum zu fliehen, sie verstellte ihnen den Weg, drängte sie alle in einer Ecke zusammen, und dort erwürgte sie sie, eines nach dem anderen. Danach schnitt sie ihnen die Herzen und die Augen heraus und verarbeitete sie zu einer Hexensalbe, die sie dem Teufel zum Geschenk machte. Da war der Satan zufrieden und entließ
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    sie aus seiner Macht, und ihre Besessenheit fiel ab von ihr, und sie konnte wieder klar sehen mit den Augen eines Christenmenschen, und als sie erkannte, was sie getan hatte, griff sie einen Dolch und stach ihn sich ins Herz und richtete sich selbst.»
    Er holte Luft, wohl um seine Worte wirken zu lassen oder um einen Blick in die Runde zu werfen. Stocksteif saßen die Zuhörer am Tisch, ihre Augen klebten an seinen Lippen. Cristino bemerkte verwirrt, dass in der Dunkelheit Bewegung war. Nein, nicht in der Dunkelheit, es war nur der Tisch, der sich langsam um sich selbst drehte.
    «Und was geschah dann?» Nicht die drängende Frage eines ungeduldigen Frederi Jùli. Die Stimme war ruhig, kalt. Umso überraschender, als sie sich seit ungefähr einer Stunde nicht mehr zu Wort gemeldet hatte. Roubert drehte sich zur Seite und blickte Arnac de Couvencour an. Couvencour hatte sich zurückgelehnt, der Schein der Kerze erreichte ihn nicht mehr. Sein Gesicht lag in vollkommener Dunkelheit.
    «Nun…», er räusperte sich, der Einwurf hatte ihn aus dem Erzählfluss gebracht, «nun, als der Onkel am nächsten Tag zu seinem Heim zurückkehrte, da

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