Die Kinder des Ketzers
Totenbett versprochen hat, sich um uns zu kümmern. Ich kann diesen Mist nicht mehr hören! Er war wahrscheinlich heilfroh, dass Vater weg war, um ihm Mutter zu stehlen. Und jetzt möchte er, dass wir ihn als unseren Vater betrachten, und deshalb ärgert es ihn so, dass ich noch 99
eine Erinnerung an damals habe! Pah, das könnte ihm so passen!
Er ist nicht mein Vater, und er wird es niemals sein!»
«Hm. Vielleicht.»
«Was hat er denn heute getan, um uns zu retten? Wenn Senher Couvencour nicht gekommen wäre, wären die Räuber jetzt über alle Berge mit uns.»
«Wahrscheinlich konnte er doch nichts tun. Ich meine, die andern haben doch auch nichts getan, der Baroun und Trévigny und die Diener. Wahrscheinlich wussten sie nicht mal, in welche Richtung sie mit uns sind.»
Catarino schwieg, aber Cristino kannte ihre Schwester gut genug, um aus der Art ihres Schweigens das Leuchten ihrer Augen herauszuhören. «Was denkst du», fragte sie nach einiger Zeit, «was hätten die mit uns gemacht, wenn er nicht gekommen wäre?»
«Wer?», fragte Cristino, obwohl sie natürlich wusste, was sie meinte.
«Na, die Räuber!»
«Na ja, sie haben ja gesagt, dass sie Lösegeld wollten…»
«Lösegeld, klar. Aber was meinst du, dass sie mit uns gemacht hätten?»
«Wie… wie meinst du das?», fragte Cristino unsicher.
«Nun», Catarino rutschte zu ihr auf die Bettkante, «meinst du, sie hätten uns vielleicht – geschändet ?»
Cristino schluckte. Catarino ließ sich neben ihr gegen die Wand sinken. «Was meinst du, wie das ist?»
«W…was?»
«Na jaaa… geschändet zu werden.»
«Ich… ich weiß nicht.» Sie schwieg einen Moment. «Catarino?»
«Ja?»
«Catarino, was heißt denn das eigentlich – schänden?»
Catarino setzte sich kerzengerade auf. Sie gluckste. «Das weißt du nicht?»
«Hm. Nein.» Sie ärgerte sich. Catarino wusste natürlich, dass sie es nicht wusste. Solche Dinge lernte sie immer von Catarino. Solange die es ihr nicht erzählt hatte, konnte sie es gar nicht wissen. 100
«Nun…», Catarino räusperte sich, «es ist im Grunde dasselbe wie das, was Eheleute miteinander machen. Nur dass es natürlich in Sünde geschieht.»
Cristino starrte in die Dunkelheit. «Catarino?»
«Hm?»
«Du, was ist das eigentlich genau, was Eheleute miteinander machen?»
«Jesus», Catarino seufzte, «du weißt ja echt noch gar nichts vom Leben, petite !»
«Jetzt sag schon. Du weißt es doch, oder?»
Catarino beugte sich zu ihr herunter, als befürchte sie, jemand würde mithören, was unwahrscheinlich war, die Dame Castelblanc schnarchte im gegenüberliegenden Bett. «Also. Beatrice de Magnot sagt, dass sie einem das Ding, das sie zwischen den Beinen haben, unten ‘reinschieben. Und dann wird man schwanger.» Sie lehnte sich zurück. «Aber es soll echt Spaß machen.»
Cristino betrachtete sie zweifelnd. Das einzige männliche Wesen, das sie bisher nackt gesehen hatte, war Frederi Jùli. Was sein
«Ding» betraf, so konnte sie sich absolut nichts Spaßiges vorstellen, was man damit machen könnte.
«Es wäre interessant gewesen, es herauszufinden.» In Catarinos Stimme schwang Bedauern mit. «Na ja, vielleicht nicht gerade mit so einem stinkenden Räuber. Lieber mit Trévigny oder Couvencour oder Roubert de Buous. Oder…» Sie brach ab. «Dieser Mergoult…
der war auch… merveilleux …»
«Catarino!»
«Was, Catarino! Du willst doch wohl nicht im Ernst bis zu deiner Hochzeit Jungfrau bleiben, petite ?» Catarino warf sich auf ihr Bett zurück. «Ich tue es, da kannst du Gift drauf nehmen. Diesen Sommer noch! Amen!»
«Aber… es ist Sünde!»
«Ach, Sünde! Vergiss es!»
«Aber, wenn du… wenn du wirklich schwanger wirst…»
«Na, dann muss er mich eben heiraten. Ist mir gerade recht, dann bin ich wenigstens Frederi los.»
Cristino drehte sich auf die Seite. «Wir sollten jetzt schlafen», murmelte sie.
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«Na gut», seufzte es aus der Dunkelheit.…
«Catarino?»
«Mmm.»
«Fandest du den Abend heute auch komisch?»
«Mmm.»
Cristino drehte sich auf den Rücken zurück, faltete die Hände und sprach ein artiges Nachtgebet, in das sie, wie jeden Abend, Arman de Mauvent einschloss. Seltsamerweise war heute der erste Abend seit Tagen, an dem der Gedanke an ihn zwar schmerzvoll war, aber nicht ausreichte, ihr die Tränen in die Augen zu treiben. Und das, wo sie erst heute morgen gedacht hatte… Lange Zeit lag sie so, ohne einzuschlafen. Der Traum mit der Krähe stand vor
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