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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
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begnadigt wurde, nachdem sie sich dazu bereit erklärte, dem Protestantismus abzuschwören, aber was Pierre und Cristou betraf, so war ihr Tod für Maynier beschlossene Sache. Es war offensichtlich, 1017
    dass Maynier einen persönlichen Rachefeldzug gegen uns führte, und dass er um Pierres Rolle bei der Flucht seines Sohnes wusste. Servan meinte, wenn wir auch nur den Hauch einer Chance haben wollten, Cristou und Pierre zu retten, dann müssten auch sie sich von ihrem ketzerischen Gedankengut abkehren.» Er holte tief Luft.
    «Am Tag darauf bestellte Servan uns wieder zu sich. Er wirkte ziemlich durcheinander. Er sagte, der Inquisitor habe Docteur Avingou verhört und von ihm verlangt, seine ketzerischen Ideen zu widerrufen. Pierre hatte abgelehnt.» Frederi brach ab. Wahrscheinlich hat Pierre Avingou den Inquisitor wirklich ausge- lacht, als der diese Forderung stellte. Nicht, weil er sich über seine Situation nicht im Klaren war, Pierre musste zu diesem Zeitpunkt längst begriffen haben, dass er verloren war. Aber in seinen Au- gen war es wohl schlichtweg der Gipfel aller Absurdität, anzuneh- men, dass er dazu bereit sei, seine ureigensten Überzeugungen zu verraten. Frederi jedenfalls stellte es sich immer so vor, dass Pier- re den Inquisitor in diesem Moment ausgelacht hat, weil das der Pierre war, an den er sich erinnern wollte, furchtlos und selbstbe- wusst und unantastbar, und nicht jener gepeinigte Mensch, dessen Sterben er in den Tagen, die folgten, würde bezeugen müssen. Laut und schwer hing Couvencours Atem über dem schweigenden Raum, und stockend sagte er: «Dann sagte Servan, dass der Inquisitor auf den ausdrücklichen Wunsch von Maynier d’Oppède hin angeordnet habe, Docteur Avingou der Folter zu unterziehen.»
    Fabiou starrte auf das lederne Büchlein in seiner linken Hand, Buchstaben, die über verschmierte Seiten jagten. Keiner sah Couvencour an, während er weitererzählte. «Hector rannte augenblicklich zum Parlament und schlug so lange Lärm, bis sie uns schließlich zu Maynier durchließen, ihn und mich. Maynier empfing uns zu meiner Überraschung in der Tat. Hector ging auf ihn los und schrie ihm so ziemlich alles entgegen, was er auf dem Herzen hatte, und das war eine Menge. Er erklärte, er würde ihn vor Gericht bringen für das, was er den Waldensern angetan hatte. Er verlangte, dass er Pierre und Cristou sofort freiließe. Maynier hörte sich sein Gebrülle an, ohne mit der Wimper zu zucken, und sagte dann, die 1018
    Zeiten sind vorbei, Degrelho, wo du mir Ärger gemacht hast. Du bist tot, Degrelho, und dasselbe gilt für die Bruderschaft. Ihr werdet aus Ais nicht lebend herauskommen. Ich denke, in diesem Moment wurde Hector klar, dass der Tod all unserer Freunde Teil eines groß angelegten Plans war, und wie hoffnungslos es war, Schio und Pierre oder auch nur uns selber zu retten. Ich fürchtete auch um das Leben meiner Familie und beschloss daher, Julia, meine Frau, mit Arnac nach Marsilho zu ihren Verwandten zu schicken. Ich schlug Hector vor, seine Familie ebenfalls aus der Stadt zu schaffen, doch Hector wollte nicht glauben, dass seine Feinde so weit gehen würden, unschuldige Kinder anzugreifen. Er selbst wollte Ais nicht verlassen, so sehr ich ihn darum bat. Er wollte Pierre und Cristou nicht im Stich lassen.»
    «Maynier.» Frederi spuckte den Namen aus wie ein widerliches Insekt, das man aus Versehen in den Mund bekommen hat. «Diesem Bastard Maynier wäre wahrscheinlich jeder Vorwand recht gewesen, Pierre auf die Folter zu bringen, schon wegen der Sache mit Philippe. Und Pierre – er war fanatisch, was diese Dinge betraf, die Wahrheit, seine Überzeugungen… Es war klar, dass er nicht nachgeben würde, egal was es ihn kostete.»
    «Wir versuchten, zu ihm zu gelangen, aber sie ließen uns nicht zu ihm vor, dafür hatte Maynier gesorgt», sagte Couvencour. «Der Einzige, für den Servan schließlich eine Besuchserlaubnis erreichen konnte, war Frederi, und ich flehte ihn an, zu Pierre zu gehen und ihn dazu zu bringen, zu widerrufen.»
    «Ich habe alles versucht!», sagte Frederi wieder, seine ganze Rolle in dieser Geschichte schien es gewesen zu sein, alles versucht und nichts erreicht zu haben. «Dreimal haben sie mich zu ihm gelassen, und jedes Mal habe ich alles versucht, um ihn zu einem Widerruf zu bewegen. Aber Pierre weigerte sich. Er sagte, kein Mensch auf dieser Welt könne ihn dazu bringen, die Wahrheit zu verleugnen. Als ich das letzte Mal kam, mussten sie mich

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