Die Kinder des Ketzers
ihr mir doch, nicht wahr? Und Louise und Daniel wischen sich die Tränen aus dem Gesicht und sagen, ja, das versprechen wir. 1021
«Hector Degrelho ahnte nicht, dass sein Bruder ihn nur zu dem einen Zweck begleitete, eine Spur für den Mörder zu legen, den Maynier und seine Verbündeten beauftragt hatten», ergänzte Fabiou.
«Sie lauerten uns auf dieser Lichtung auf, der Genevois und an die zwanzig Landsknechte», sagte Louise mühsam. «Wir hatten keine Chance. Sie töteten die Diener, sie töteten unsere Eltern und Daniel. Onkel Archimède zog Alice zu sich aufs Pferd und ritt mir ihr aus dem Getümmel, sein Beweis sozusagen, dass er alles versucht hatte, uns zu retten. Es war ja auch egal, dass eines der Mädchen überlebte, er ging schließlich davon aus, dass wir keinen Anspruch auf das Erbe hätten. Einer unserer Diener schaffte es, auf ein Pferd zu kommen, mit Agnes… Ich… floh ebenfalls, Vater wollte es so. Er hat sich darauf verlassen, dass ich Agnes und Alice beschützen würde. Ich habe ihn leider Gottes enttäuscht.»
«Ein schlauer Plan, den Archimède da hatte, wirklich», meinte der Bonieus in widerwilliger Anerkennung. «Alle konnten zufrieden sein. Maynier und seine Verbündeten waren die Bruderschaft los, und Archimède konnte erben. Und der einzige Preis, den sie einander für ihre Mithilfe zahlen mussten, war gegenseitiges Stillschweigen.»
«Ich misstraute Archimède von Anfang an, seit ich gehört hatte, wie Rouland ihn als Verräter beschuldigte», murmelte Louise.
«Dass die Mörder meiner Familie die Antonius-Jünger sein sollten, wie alle Welt behauptete, war für mich ohnehin eine absurde Vorstellung. Ich wusste, dass Vater große Stücke auf Joan lou Pastre gehalten hatte, dass sie quasi Freunde waren.»
«Es war wieder einer von Archimèdes genialen Schachzügen, die Schuld auf die Antonius-Jünger zu schieben», sagte Fabiou. «Alle Welt war beeindruckt von dem Feuereifer, mit dem er die Mörder seines Bruders verfolgte, jeder glaubte, dass er seinen Bruder zutiefst geliebt hatte. Und natürlich war ihm auch die Dankbarkeit aller wohlhabender Bewohner der Gegend gewiss, nachdem er den Luberoun von den Antonius-Jüngern befreit hatte.»
«Als Joan lou Pastre und seine Leute gefangen genommen wurden, dachte ich in meiner Naivität, jetzt würde sich alles aufklären
– als ob man Joan lou Pastre mehr Glauben geschenkt hätte als dem 1022
ehrwürdigen Baroun d’Astain!», fuhr Louise mit einem grimmigen Lächeln fort. «Nun, es ist allgemein bekannt, wie die Geschichte weiterging. Onkel Archimède nahm mich mit zur Hinrichtung der Antonius-Jünger. Ich konnte die ganze Zeit nur denken, dass es ein Verbrechen war, so grauenhafte Dinge im Namen meines Vaters zu tun. Und da wurde mir endgültig klar, dass nichts von all dem meinem Vater zuliebe geschah. Und dass es nur einen Menschen gab, der einen Vorteil aus all dem zog.» Sie brach erschöpft ab. Auf ihrer Stirn hatten sich Schweißtropfen gebildet.
«Ihr dürft nicht so viel reden!», sagte Antonius ärgerlich. «Die Blutung wird nur zum Stillstand kommen, wenn wir euren Brustkorb so weit als möglich ruhig stellen!»
«Ist doch egal!», zischte Louise und brach erneut in einen Hustenanfall aus. «Ich werde wahrscheinlich sowieso sterben, das habt Ihr selbst gesagt! Aber vorher werde ich Fabiou und den beiden Mädchen erzählen, was sie wissen wollen! Darauf haben sie verdammt noch mal ein Recht!» Einen Moment lang lag sie still und kämpfte mit geschlossenen Augen um Atem. Dann fuhr sie fort:
«Eines Tages tauchte dieser Notar bei uns auf, Austelié, und teilte Archimède mit, dass Vater ein Testament hinterlassen hätte. Onkel Archimède sprach lange in der Bibliothek mit ihm, und danach sprach er lange mit Tante Elisabeta, und nach diesem Gespräch waren beide furchtbar aufgeregt und Tante Elisabeta hatte verweinte Augen. Mir kam der furchtbare Verdacht, dass Vater uns Töchter testamentarisch zu seinen Erben erklärt hatte und wir daher nun auch in Lebensgefahr schwebten. Ich wusste nicht, was ich tun sollte, mir war klar, dass kein Mensch meine Geschichte glauben würde. Kurz darauf wurde dann dieses Kindermädchen eingestellt.»
«Allem Anschein nach war sie eine berufliche Meuchelmörderin», meinte Fabiou. «Archimède muss ihr zur Flucht aus dem Gefängnis verholfen haben, unter der Bedingung, dass sie ihn von seinen Nichten befreite.»
«An diesem Tag im Dezember ahnte ich, dass irgendetwas nicht stimmte»,
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