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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
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zu ihm in die Zelle bringen, weil er zu schwer verletzt war, um in die Amtsstube gebracht zu werden, wo ich ihn vorher getroffen hatte. Ich flehte ihn an, seinen verdammten Stolz zu vergessen und diesen Idioten ihren Willen zu erfüllen, aber er sagte, er würde die Wahrheit nicht verraten, lieber würde er sterben. Er sagte, auf dieser Welt würde 1019
    sich nie etwas ändern, wenn sich die Menschen von Leuten wie Maynier und der Inquisition einschüchtern ließen, sie würden ihr verbrecherisches Tun immer weiter ungestraft fortsetzen können und die Wahrheit nach ihrem Gutdünken manipulieren, so wie sie jetzt schon wieder dabei wären, die Geschichte des Mordens an den Waldensern umzudichten und wegzuleugnen. Und dann – gab er mir das Buch. Der Himmel weiß, wie er es vor ihnen hatte verstecken können. Er sagte, wenn es einmal eine Gerichtsverhandlung gebe, dann müsse ich dieses Buch dort vorlegen, es würde Zeugnis ablegen an seiner Stelle. Und dann schickte er mich weg.»
    «Schließlich gaben Maynier und der Inquisitor es auf und verurteilten Pierre am Abend des 5. Mai zum Tode», sagte Couvencour dumpf. «Sie hätten sich die Mühe sparen können. Pierre ist noch in derselben Nacht in seiner Zelle verblutet.»
    Es war ziemlich still in Rouland de Couvencours Salon. Das leise Tappen, mit dem Fabiou mit Pierres Büchlein auf die Tischplatte klopfte, war neben dem Kreischen der Mauersegler vor dem Fenster das einzige Geräusch.
    «Und mein Vater?», fragte Catarino schließlich.
    Rouland de Couvencour warf Frederi einen raschen Blick zu.
    «Er hat sich das Leben genommen», murmelte Frederi kaum hörbar. «Das hat Oma dir doch gesagt.»
    «Das Buch – wie ist es in die Universitätsbibliothek gekommen?», fragte Fabiou.
    «Ich weiß nicht.» Frederi zuckte müde mit den Achseln. «Ich hatte es der Tour d’Aigue gegeben, als sie die Klage gegen Maynier aufnahm, und sie hat es an ihren Anwalt, diesen Aubéry, weitergeleitet. Mehr weiß ich nicht.»
    «Entschuldigung, aber ich glaube, dazu kann ich etwas sagen», mischte Nicolas de Bouliers sich ein. «Nachdem wir den Prozess verloren hatten, haben wir alle schriftlichen Dokumente an die Bibliothek gegeben, einige der dortigen Docteurs haben uns dabei unterstützt… es erschien uns die beste Möglichkeit, zu verhindern, dass alles in Vergessenheit gerät. So auch das Schriftstück von Docteur Avingou.»
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    «Und die anderen Bücher von Onkel Pierre? Wie sind sie an die Bibliothek gekommen? Dieser Sonderdruck von ‹Utopia›?», fragte Fabiou.
    «Na, wie wohl – Philomenus!» Frederi seufzte. «Als Pierres Vater starb, war Philomenus der nächste Verwandte. Und der hat alle Bücher mit anstößigem Inhalt sofort weggegeben, um seinen angekratzten Ruf nicht wieder in Gefahr zu bringen.»
    «Als Pierre und Schio tot waren, war Hector endlich dazu zu bewegen, die Stadt zu verlassen», fuhr Couvencour fort. «Wir wussten, dass Maynier keine leeren Worte gemacht hatte und dass unsere Chancen, davonzukommen, gering waren. Also beschlossen wir, uns zu trennen. Ich brach nach Marsilho auf, um von dort mit Julia und Arnac nach Italien zu fliehen, und Hector wollte sich mit seiner Familie in Richtung Navarra durchschlagen, wo er hoffte, Schutz zu finden. Wir brachen bei Nacht und Nebel auf. Und dann stand plötzlich Archimède in der Tür und sagte, er wolle Hector bis zur Grenze begleiten, um ihn zu beschützen. In diesem Moment begann ich zu ahnen, dass Archimède der Verräter war, und ich bat Hector, nicht darauf einzugehen. Doch Hector wollte nichts davon hören, er vertraute Archimède voll und ganz. Und so machten sie sich am nächsten Morgen gemeinsam auf den Weg nach Navarra.»
    Im Morgengrauen kniet Hector Degrelho vor seinen beiden äl- testen Kindern. Er hat sie an den Händen gefasst, Louise mit der rechten, Daniel mit der linken. Wir müssen fliehen, sagt er. Es wird gefährlich werden, sehr gefährlich. Ich sage es nur euch, nicht den beiden Kleinen, ich will nicht, dass sie Angst bekommen. Es kann gut sein, dass ich sterben werde, wisst ihr, und Onkel Archimède auch, und vielleicht sogar Mama. Nein, Daniel, nicht weinen, bit- te, ich habe keine Angst vor dem Sterben, wirklich nicht, und eure Mama auch nicht, alles, wovor wir Angst haben, ist, was aus euch werden soll, wenn uns etwas zustößt. Ihr seid doch tapfer, oder, schließlich seid ihr doch meine Kinder. Wenn uns etwas passiert, dann müsst ihr auf Alice und Agnes aufpassen, das versprecht

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