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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
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fuhr Louise fort. «Seit Tagen verhielten sich Onkel Archimède und Tante Elisabeta eigenartig. Onkel Archimède war die Liebenswürdigkeit in Person uns gegenüber, und Tante Elisabeta brach jeden Tag ein paar Mal in Tränen aus. Als sie dann erklärten, 1023
    sie würden auf ein Fest gehen und Victor und die meisten Diener mitnehmen, begriff ich, dass sie etwas planten. Als das Kindermädchen uns ins Bett gebracht hatte, stand ich heimlich wieder auf, schlich in Onkel Archimèdes Zimmer und holte seinen Dolch aus der Schublade. Als ich zurück in unser Schlafzimmer kam, waren Alice und Agnes verschwunden. Alice fand ich erwürgt auf dem Gang. Ich lief weiter, in der Hoffnung, Agnes noch lebend zu finden. Dieses eine Mal hatte ich Glück. Für eine professionelle Mörderin war sie dumm, sie hat nicht im Geringsten mit Gegenwehr gerechnet.»
    Cristino denkt an die seltsam gleichförmige, ruhige Bewegung, mit der Louise dem Kindermädchen den Dolch in die Brust stößt, und an den Ausdruck in ihren Augen, jenen Funken der Überra- schung, dass es in der Tat so leicht ist, einen Menschen zu töten. Sieben Tage im Luberoun hatten ihr gezeigt, wie leicht.
    «Danach sind wir geflohen. Meine einzige Idee war, uns in die Keyrié durchzuschlagen und die Diener in unserem Haus dort um Hilfe zu bitten. Sie waren meinem Vater treu ergeben gewesen, sie würden uns nicht im Stich lassen, da war ich sicher. Wir sind fünf Tage lang gelaufen, immer nachts, falls Onkel Archimède nach uns suchte. Es hat die meiste Zeit geregnet. Tagsüber verkrochen wir uns in den Bouries der Hirten oder in leerstehenden Schuppen. Schließlich erreichten wir die Keyrié. Das Haus stand leer. Onkel Archimède hatte alle Diener entlassen. Ich dachte, dass es zu gefährlich war zu bleiben, dass dies der Ort war, an dem Onkel Archimède als Erstes nach uns suchen würde. Also gingen wir wieder. Wir zogen uns wärmere Kleider an, nahmen alles Geld und alle Schmuckstücke mit, die wir finden konnten, packten ein paar Vorräte ein und machten uns auf den Weg.»
    Cristino sieht Louise auf der Treppe vor dem Haus in der Keyrié, wie sie ein Fass mit Öl umleert, gleichgültig zusieht, wie die schwarzen Schlieren die Stufen hinabtropfen, hinter ihr die hohe Eingangs- halle mit den Holzverkleidungen und den seidenen Wandbehän- gen, den Vorhängen und Teppichen, all jenen Dingen, die brennen 1024
    würden wie Zunder. Sie sieht, wie Louise die Treppe herunter- steigt, die müde, achtlose Handbewegung, mit der sie die Fackel in ihrer Hand in die Ölschlieren wirft und dann weiterschreitet, ohne auch nur einmal zurückzusehen, in ihrem Gesicht die Erschöpfung und der Überdruss eines Soldaten nach verlorener Schlacht. Sie sieht sie an, wie sie vor ihr stehen bleibt und schon viel mehr wie Arnac aussieht als wie Louise, mit ihren abgeschnittenen Haaren und Daniels zu engen Kleidern am Leib und der unergründlichen, endlosen Schwärze in ihren Augen, als sie sagt, er wird es nicht bekommen, Agnes, verstehst du, um dann nur müde den Kopf zu schütteln, denn natürlich versteht Agnes nicht, wie sollte sie auch. Sie sieht die Flammen, die die Treppe emporkriechen und sich in die Halle hineinfressen wie vorwitzige kleine Raubtiere, die sich erst zögernd, schnüffelnd über die Schwelle tasten, wie versuchs- weise nach den Vorhängen, den Tapeten schnappen, um dann, als jede Gegenwehr ausbleibt, vorzuschießen, sich zu verbeißen in die Täfelung und das Treppengeländer und die Ölbilder an den Wän- den, und heulend und brüllend das alles zu zerfleischen und zu vernichten. Sie sieht sich um, während Louise sie mit sich zerrt, hinein in den Wald, der ihnen düster und schwarz entgegengähnt, sieht auf das offen stehende Eingangstor, hinter dem die Flammen wüten und gleißen, dass man meint, man blicke auf die Pforten der Hölle, sieht zu, wie das Feuer die Treppe emporklettert, um dann im ersten Stock aus den Fenstern zu winken, sieht Vorhänge in einem Kometenschweif aus Funken zerstäuben und Schränke knisternd in sich zusammensacken. Louise sieht sich nicht um. Sie zieht sie weiter und weiter in den Wald hinein, und in einem letz- ten Akt der Loyalität zu seinen einstigen Bewohnern leuchtet das Haus ihnen den Weg.
    «Wir brauchten über eine Woche, um uns nach Couvencour durchzuschlagen», erzählte Louise. «Es war einfacher jetzt, wir hatten Geld, um uns etwas zu essen zu kaufen, und ich hatte uns beiden die Haare kürzer geschnitten und uns als Jungen

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