Die Kinder des Ketzers
Untersuchung bezüglich Mayniers tragischen Hinscheidens ein, und natürlich verkündete Docteur Vascarvié in der ganzen Stadt, dass er den Mörder finden und einem schrecklichen Tod zuführen würde, aber ebenso natürlich verlief die Untersuchung im Sande und wurde der Mörder nie gefunden. Wo will man auch mit Suchen anfangen, wenn die halbe Provence ein Motiv hat.
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1068
Loís verließ Castelblanc am Morgen des 20. Juli 1558. Cristino kam in seine Kammer gestürmt, während er gerade das Bündel mit seinen wenigen Habseligkeiten verschnürte: ein Rosenkranz, der seiner Mutter gehört hatte, sein Messer, sein Mantel für die kalten Monate, und der dicke, zerlesene Foliant, den Frederi ihm einst geschenkt hatte. DE IURE ROMANA.
«Ich will nicht, dass du gehst!», schrie sie ihn an. «Alle gehen sie fort! Erst Louise, dann Catarino, dann Antonius und Fabiou! Du darfst mich nicht auch noch verlassen!»
Er fuhr fort mit seinem Werk, ohne sie anzusehen. «Es tut mir leid, Cristino», sagte er, und: «Es ist besser so.»
«Es ist nicht besser so!», schrie sie. «Ich liebe dich doch!»
Jetzt sah er auf, und als sie in seine offenen dunklen Augen sah, begriff sie, dass sie nicht übertrieben hatte. Sie liebte ihn wirklich.
«Ich liebe dich auch, Cristino», sagte er traurig. «Mehr als alles auf der Welt. Und gerade deshalb muss ich weg. Ich bin ein Diener, und du bist eine Barouneto. Mein Gott, du weißt, dass es niemals eine Zukunft für uns geben kann. Und spätestens in ein, zwei Jahren wirst du irgendeinen reichen Senher oder Baroun heiraten.»
«Ich werde aber niejemand anderen lieben!», heulte sie. «Auch wenn ich irgend so einen Baroun heirate, dann liebe ich immer noch dich!
Du kannst doch mit mir kommen, wenn ich heirate! Loís, bitte!»
«Wie stellst du dir das vor?», fragte Loís kopfschüttelnd. «Soll ich als dein Geliebter bei dir bleiben? Deine heimliche maîtresse ?»
«Warum denn nicht?», schrie Cristino.
Loís setzte sich auf sein Bett und sah sie an. «Weißt du, Cristino, so schlimm die letzten drei Monate gewesen sein mögen, eines habe ich daraus gelernt. Nämlich dass jeder Mensch ein Recht darauf hat, frei und in Würde zu leben, auch wenn er nur ein Pferdeknecht ist wie ich. Ich denke, von deinem Vater habe ich das gelernt.»
«Meinem Vater?», fragte sie erstaunt. Dann begriff sie, dass er Hector Degrelho meinte.
Loís stand auf und wandte sich der Tür zu.
«Bleib hier, Loís, bitte!», schluchzte Cristino.
Er küsste sie auf die Stirn, nahm sein Bündel und ging.
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1069
Es wurden öde Tage in Castelblanc. Ohne Fabiou, ohne Catarino, ohne Frederi und ohne Loís war das Haus wie verwaist. Die Einzige, die Leben in die Wände brachte, war Maria Anno, die gerade in die tieferen Geheimnisse des aufrechten Gangs eindrang und mit schrillen Juchzern durch die Korridore wackelte. Selbst Frederi Jùli verhielt sich eher still; er war noch immer durch den Blutverlust geschwächt, und seine Aktivitäten beschränkten sich momentan noch auf so erstaunlich ruhige Spiele wie Mühle und Murmeln. Die Dame Castelblanc unternahm einen ihrer üblichen überaktiven Versuche, das Haus, Cristino und nicht zuletzt sich selbst aus dem Trübsinn zu reißen, indem sie Einladungen an alle daheimgebliebenen oder bereits zurückgekehrten Adelsfamilien der Umgebung schickte, in der Hoffnung, dass Cristino schon aufblühen würde, wenn einige galante junge Herren ihr den Hof machten. Sie tat dies nicht ohne Hintergedanken. Cristinos wahre Identität sprach sich zunehmend herum, und es war klar, dass dieser Umstand für sie einen deutlichen Nachteil auf dem Heiratsmarkt bedeutete; welcher Mann wollte schon eine Frau mit einer derart geheimnisvollen Lebensgeschichte. Dazu kam, dass es grundsätzlich einen Makel darstellte, wenn ein Mädchen aus ihrer ersten saison hervorging, ohne wenigstens ein ernsthaftes Angebot erhalten zu haben. Noch besaß Cristino den Vorteil ihrer Jugend und einer gewissen Schönheit, und Madaleno de Castelblanc war klar, dass sie schnell handeln musste, wollte sie ihrer Ziehtochter noch eine wenigstens halbwegs akzeptable Partie sichern. Sowohl Cristino als auch die jungen Herren, die Castelblanc in diesem August besuchten, wussten um den Zweck dieses Arrangements, und Cristino, der der Ernst der Lage durchaus bewusst war, spielte brav ihre Rolle als ebenso keusches wie aufreizendes Mädchen, von dem die jungen Herren zu Recht bezaubert waren. Doch von dem Vergnügen, mit
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