Die Kinder des Ketzers
viele Achs und Ojes hören, während er den Text studierte, den Fabiou aufgesetzt hatte, und als er daran ging, Fabious Schrieb in Blei zu setzen, murmelte er ein ununterbrochenes Schema Jisrael Adonai Elohenu Adonai Ehad vor sich hin. Ich habe nicht allzu viel Geld, sagte Fabiou, aber ich zahle Euch alles, versprochen, und wenn es zehn Jahre dauert! Vergesst das Geld, knurrte Piqueu, da wo wir beide in Kürze sein werden, ist es noch nicht als Zahlungsmittel anerkannt. Trotz allem, als Fabiou dann das erste Exemplar seines Flugblatts in den Händen hielt, wurde er von einer Freude erfüllt, die ihn alle möglichen Konsequenzen seines Tuns vergessen ließ; er umarmte Mèstre Piqueu, er umarmte drei der fünf Druckgesellen und er 1066
umarmte sogar den räudigen Kater, der diese überraschende Liebesbekundung mit einem ärgerlichen Fauchen quittierte. Dann zog er los.
Er verteilte einen Stapel Flugblätter in der Universität, indem er sie verstohlen an möglichst gut sichtbare Stellen legte – auf den Sockel der Treppe, auf die Steinbank am Hauptportal, auf den Fenstersims vor dem Eingang zur Bibliothek. Einige weitere Stapel platzierte er auf Gesimsen und Brunnenmauern an den belebtesten Plätzen der Stadt. Dann packte ihn endgültig der Wagemut, und er hinterließ die verbliebenen Zettel auf einem Tisch im Eingangsbereich des Parlaments. Er war sich nicht wirklich sicher, dass sein Tun niemandem aufgefallen war. Dennoch, an diesem Abend konnte nichts die triumphale Begeisterung aus seinem Innern vertreiben, weder der Gedanke an Maynier noch der an mögliche Mordgesellen, die man ihm auf den Hals hetzen mochte. Den Weg durch die Carriero Drecho und über die Plaço de Sant Sauvaire tanzte er mehr, als dass er ihn lief, und den vorbeiwandelnden Paaren schwenkte er lachend seine Mütze entgegen. So kam er in der Carriero de Jouque an.
Und erfuhr, dass Jean Maynier d’Oppède, Erster Präsident des Parlaments von Ais, an diesem Morgen verstorben war.
***
Es gab viele Theorien zu Jean Mayniers Tod. Die harmlose war, dass die Harnwegsentzündung, an der er erkrankt war, zu einer Vergiftung des Blutes mit gelber oder eventuell auch schwarzer Galle geführt habe. Dem entgegen stand die Erklärung eines der Ärzte, die Maynier nach seinem Tod untersucht hatten, welcher Anzeichen einer Arsenik-Vergiftung festgestellt zu haben glaubte. Die Gerüchte waren mannigfaltig. Das, welches den Leuten am besten zu gefallen schien – vermutlich, weil es so herrlich gruselig klang –, war, dass einer der Ärzte, die Maynier aufgrund seines Harnleidens konsultiert hatte, Protestant gewesen sei und ihm aus Rache für seine harten Urteile gegen die Protestanten einen vergifteten Katheter eingeführt habe. Es gab aber auch andere Theorien. Die Tour d’Aigue habe ihn aufgrund des durch ihn erlittenen Scha1067
dens von einem gedungenen Mörder vergiften lassen; ein Waldenser habe sich in seine Wohnung geschlichen und ihm Arsen in den Wein geträufelt; die Geliebte eines von ihm zum Tode verurteilten Diebs habe sich ihm angeboten und ihm dann das Gift wie weiland Eva in einem Apfel gereicht.
«Das Maß war einfach voll», sagte der Bonieus und grinste dabei, und auch der Buous grinste, und Fabiou dachte unbehaglich an das, was Estève de Mergoult zu Hannes gesagt hatte. Es gab noch eine andere mögliche Erklärung für Mayniers Tod.
Maynier wurde in der Eglise de l’Observance beigesetzt. Er wurde in einer großen Prozession zu Grabe getragen, der die halbe Oberschicht von Ais folgte, und der Bischof sprach salbungsvolle Worte an seinem Grab, welch großer Mann und unermüdlicher Kämpfer für den wahren Glauben der Welt an ihm verloren gegangen sei. Dass in vielen reicheren und weniger reichen Häusern von Ais mit allerlei edlen Tropfen auf sein Dahinscheiden angestoßen wurde, ignorierte man geflissentlich.
Mayniers Tod hatte ihn selbst offensichtlich am allermeisten überrascht; obwohl er beileibe nicht mehr der Jüngste gewesen war, hatte seine unverwüstliche Stärke und Gesundheit ihn wohl bisher nicht allzu viele Gedanken an sein mögliches Ableben verschwenden lassen. Auch bei akribischster Durchsicht seiner Unterlagen war zu Alexandre de Mergoults grenzenloser Enttäuschung kein Testament zu finden. Mayniers gesamter Besitz einschließlich Oppède und dem Hôtel in der Carriero drecho fiel an seinen nächsten legitimen männlichen Verwandten, Gaspard Forbin, den Senher de Jansoun.
Natürlich leitete das Parlament eine
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