Die Kinder des Ketzers
über das Gesicht. Er schwitzte wie ein Schweinebraten. Aber er nickte. Später am Tag notierte Fabiou die Namen – vierzehn an der Zahl
– in sein Büchlein, das einst dem Notieren seiner Verse gedient hatte. Frederi beobachtete ihn mit finsterem Blick. «Ein Flugblatt!», schnaubte er verärgert. «Du bist tot, bevor du zehn von den Dingern verteilt hast! Und überhaupt – wer bitte soll das Ganze bezahlen?»
Die Suche nach einem Geldgeber führte Fabiou ein weiteres Mal zu jenem Haus, über dessen Tür in schwarzer Farbe «Antoine Carbrai – Marchand» geschrieben stand. Doch zu seinem Erstaunen war die Tür vernagelt und die Fensterläden geschlossen. Der Nachbar, bei dem er anklopfte, erklärte, die Familie sei mit Sack und Pack nach Frankreich zurückgekehrt. «Wollen sich zur Ruhe setzen», meinte er. Fabiou konnte sich nicht vorstellen, dass es 1064
Antoine Junior, der schließlich so etwa in Victors Alter war, bereits nach dem Ruhestand verlangte. Dann dachte er daran, wie Rouland de Couvencour und die Witwe Carbrai einander angesehen hatten und begriff, dass Couvencour niemals ohne sie gegangen wäre. So beflügelt eilte er durch die Carriero de la Jutarié, bis er die Kreuzung mit der Carriero dou Pous Caud erreichte. In der Druckerei herrschte Hochbetrieb; alle sechs Pressen arbeiteten auf vollen Touren. «Mèstre Piqueu!», brüllte Fabiou durch den infernalischen Lärm. «Wo ist Mèstre Piqueu?»
«Na, so etwas!», rief es hinter ihm. «Der Held von Ais gibt sich persönlich die Ehre! Was führt Euch in mein bescheidenes Heim, Baroun de Bèufort?»
Fabiou drehte sich um und sah Louis Piqueu verblüfft an. Der lachte. «Im Ernst, man hört so allerlei Sachen über Euch», sagte er. «Wenn auch nur ein Bruchteil davon wahr ist, dann Hut ab vor Eurem Mut, junger Herr!»
«Sehr schön», sagte Fabiou. «Wenn Ihr so begeistert von mir und meinem Mut seid, dann habt Ihr ja sicher auch nichts dagegen, selbst ein bisschen den Helden zu spielen.»
Mèstre Piqueus Gesicht verzog sich, als ob er in eine saure Zitrone gebissen hätte. Eine extrem unreife saure Zitrone. «Ihr habt hoffentlich nicht das vor, was ich fürchte, dass Ihr vorhabt», knurrte er.«Ein Flugblatt», sagte Fabiou trocken. «Ich will, dass die Sache unter die Leute kommt. Und zwar die Fakten. Die Details. Namen. Es war schließlich nicht nur Maynier. Ich habe eine ganze Liste mit Leuten, die ihre Finger mit drin hatten. Die genauso die Schuld am Tod der Bruderschaft und der Antonius-Jünger tragen. Und letztlich auch an der Vernichtung der Waldenser.»
«Ihr scheint eine gewisse Todessehnsucht zu besitzen, Baroun», meinte Piqueu mit griesgrämig gekrauster Nase.
«Also, macht Ihr es, oder nicht?», fragte Fabiou ungeduldig.
«Ich habe nicht nur eine Katze, ich habe vor allem auch eine Frau und fünf Kinder», meckerte Mèstre Piqueu.
«Wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, hattet Ihr auch mal einen Bruder», sagte Fabiou.
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Piqueus Gesicht wurde noch eine Spur säuerlicher. «Das ist Erpressung», meinte er.
«Nein. Das ist ein moralischer Appell», erklärte Fabiou wichtig. Nach diesem Gespräch fühlte er sich todesmutig genug, zum Parlament zu gehen und um eine Audienz bei Maynier zu bitten. Aber er erhielt eine abschlägige Antwort. Der Erste Gerichtspräsident sei heute nicht im Parlament erschienen, offenbar sei er krank, erklärte Fabiou ein Gerichtsdiener, der dabei äußerst verwundert dreinblickte, Maynier war sonst nie krank gewesen. Er riet ihm, am nächsten Morgen wieder vorbeizukommen, und Fabiou kehrte unverrichteter Dinge nach Hause zurück.
Am nächsten Morgen war Maynier noch immer krank. Eine Blasenentzündung, sagt man, meinte der Bonieus, der an diesem Abend im Hause Auban zu Besuch erschien. Der Buous, der ihn begleitete, meinte feixend, jaja, das ist das Alter, in dem die Wasserleitung so langsam den Geist aufgibt, und der Bonieus setzte dem Ganzen noch eins drauf, indem er grinsend meinte, scheint, der gute Präsident hat den hiesigen Badehäusern und den dort tätigen Damen einen Besuch zu viel abgestattet, woraufhin beide lachten, bis sie Tränen in den Augen hatten. Tante Eusebia regte sich später furchtbar auf über die despektierliche Art, mit der «diese beiden armseligen Landjunker» von Ais’ erhabenem Parlamentspräsidenten zu sprechen wagten, doch zu ihrem großen Erstaunen hieß ihr Mann sie, den Mund zu halten.
Zwei Tage später ging Fabiou wieder zu Mèstre Piqueu. Piqueu ließ
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