Die Kinder des Ketzers
zur Feier des Tages zu Besuch kam, meinte sie scherzhaft, das müsse ihr erst mal einer nachmachen, innerhalb von einem Jahr zweimal Geburtstag und zweimal Namenstag zu haben, aber ihr Lachen dabei klang etwas gezwungen.
Zwar galten Geburtstagsfeiern als protestantische Unsitte, doch das hatte Madaleno nicht daran gehindert, zur Feier des Tages den halben Luberoun einzuladen – ihr war im Moment jeder Anlass für eine Feierlichkeit recht. Cristino verbrachte einen mehr als langweiligen Nachmittag umringt von Siest und einigen weiteren 1072
Herren, deren Gespräche sie anödeten, umso mehr als klar war, dass von ihrer Seite keine Einmischung in die Unterhaltung gewünscht wurde. Ihre Rolle bestand darin, höflich zu nicken und zu lächeln, während die Herren sich über Politik, Religion und Jagd die Köpfe heißredeten. Sie hielt dies eine ganze Zeitlang durch, sogar als der Baroun de Sourd sich über die Protestanten ausließ, die zweifelsohne der Untergang des christlichen Abendlandes waren, schwieg sie sittsam. Doch als die Herren dann auf ihre dürftigen Kriegserlebnisse zu sprechen kamen und sich lang und breit über die Notwendigkeit des Ausgießens von Schussverletzungen mit siedendem Öl ausließen, da war das Maß schlichtweg voll. Cristino hielt einen Vortrag über die moderne chirurgische Wundversorgung, der Ambroise Paré in pure Entzückung versetzt hätte, legte eindeutig dar, dass Schusswunden per se nicht vergiftet seien und ihr Auskochen somit unnötig, ja sogar schädlich sei, und ergänzte diese Ausführungen durch eine detaillierte Beschreibung der erforderlichen Maßnahmen zur Blutstillung. Der Erfolg waren entgeisterte bis entrüstete Blicke von Seiten der Herren – mit Ausnahme des Baroun de Sourd, der fluchtartig den Raum verließ und sich am nächstbesten Fenster seines Mittagessens entledigte. Der Cavalié
de Siest schien als Einziger nicht verärgert über ihr unziemliches Verhalten zu sein; er lachte schallend und sagte: «Kindchen, Kindchen, wer hat Euch denn diesen Unsinn in Euer hübsches Köpfchen gesetzt?»
Cristino antwortete nicht. Sie wandte sich ab und floh aus dem Raum, damit niemand sah, dass ihr die Tränen in die Augen schossen.
Victor war der einzige Lichtblick an diesem Tag. Er fand Cristino schniefend auf der Treppe und drückte ihr zum Trost ein Cremetörtchen in die Hand. «Mach dir keine Gedanken wegen diesem verknöcherten Cavalié de Siest», sagte er. «Ich werde dir eine Mitgift besorgen, dass dir die Männer zu Füßen liegen würden, wenn du eine Hasenscharte und abstehende Ohren hättest!»
«Wie willst du das denn machen?», murmelte Cristino. «Solange dein Vater noch lebt, besitzt du doch gar nichts.»
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«Oh, du kannst dir nicht vorstellen, was auf Astain alles an Schmuck, Juwelen und Bargeld herumliegt. Es würde für drei Bräute reichen.»
«Aber… aber diese Dinge gehören dir doch nicht!», rief Cristino aus.«Nein. Sie gehören dir. Dir und Louise. Mein Vater hat sie euch gestohlen», sagte Victor unbewegt. «Und wenn er zurückkehrt…»
«Zurückkehrt?» Cristinos Augen weiteten sich vor Entsetzen.
«Aber der Viguié hat doch gesagt, er würde nicht zurückkehren!»
«Der Viguié in Ehren, aber da kennt er meinen Vater schlecht», sagte Victor bitter. «Archimède Degrelho fällt immer auf die Füße. Irgendwann wird er einen Weg finden, zurückzukehren. Lass wirklich einen Krieg kommen – wer, denkst du, wird sich dann noch darum scheren, dass er vor Jahrzehnten seinen Bruder ermordet hat? Aber eines verspreche ich dir – wenn er zurückkommt, wird er so wenig von seinem Reichtum vorfinden wie möglich. Also, sag mir, wie viel du brauchst. Ich kann schließlich nicht zulassen, dass man dich an den erstbesten dahergelaufenen Landjunker verschachert, nur weil du kein vernünftiges Erbe hast!»
Sie hob müde die Schultern. Es war ihr egal, an wen sie sie verschacherten. Jede Heirat schien ihr gleichbedeutend mit einer lebenslangen Kerkerhaft. Als er sich verabschiedete, begleitete sie ihn noch auf den Hof hinaus. Er nahm ihre Hände und küsste sie auf die Stirn. «Denk darüber nach, Agnes», sagte er. Er war der Einzige, der sie Agnes nannte, für alle anderen war sie weiterhin Cristino. «Sag mir einfach, was du dir erträumst, und ich werde alles tun, was in meiner Macht steht, um deinen Traum zu verwirklichen. Geld spielt keine Rolle, verstanden?»
Sie nickte. Er ging zu seinem Pferd, das Jacque am Zügel hielt, und schwang
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