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Die Kinder des Saturn

Die Kinder des Saturn

Titel: Die Kinder des Saturn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stross Charles
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Kernspaltungsreaktors. Das habe ich etwa eine halbe Stunde nach dem Ablegen entdeckt, als die Masse auf der Indefatigable kritisch wurde und das Messgerät an der Innenseite meiner Tür von null zu einer Strahlendosis von einem halben Sievert pro Stunde hochschnellte.
    Meine Bedenken gegenüber Kernspaltungsreaktoren haben einen ganz einfachen Grund: Mir gefällt es nämlich nicht, als Abschirmung benutzt zu werden. Ein halbes Sievert pro Stunde reicht aus, einen unserer Schöpfer innerhalb von zirka zwei Tagen zu töten. Zwar bin ich aus härterem Stoff gemacht, aber die Strahlung setzt mir trotzdem zu. Ich hasse Gammastrahlung, denn sie bringt die Oxidationsstufen der Pigmente in meinen Chromatophoren völlig durcheinander. Nach zwei Tagen bekomme ich überall Flecken, und meine Knochenmark-Technologie braucht
Ewigkeiten dazu, meine Haut zu reparieren, denn sie ist bereits damit ausgelastet, alle anderen Schäden zu beseitigen. Ich muss doppelt so lange wie üblich in den Tiefschlaf eintauchen, mehr als sonst essen und auch mehr Energie einsaugen, und immer wieder zucken seltsame Blitze durch mein Blickfeld.
    Da haben wir’s! Nach meiner wohlbegründeten Ansicht ist Atomenergie scheiße, genauso wie das Reisen von einem Planeten zum anderen. Also ist die Reise auf der Indefatigable scheiße hoch zwei, aus der nur noch größere Scheiße entstehen kann. Kurz gesagt: Freya ist an Bord dieses Raumschiffes nicht gerade gut drauf. (Ich habe versucht, mich bei Indy zu beschweren, doch er hat mir wortreich erklärt, ich sei an meiner Lage selbst schuld, schließlich sei ich zu spät gekommen. Ob ich einen Platz in der Konservendose vorziehen würde? Am Ende hat er allerdings eingelenkt und mir eine hübsche Beryllium-Unterlage für meine Schlafkoje geschickt, aber trotzdem …!)
    Und jetzt zu weiterer Scheiße. (Ich bin nun mal unglücklich, und das bedeutet, dass ich dieses Unglück unbedingt mit anderen teilen möchte. Viel Spaß dabei!)
    Wie bereits erwähnt, ist die Indefatigable ein atombetriebenes und mit einer VASIMR-Rakete ausgerüstetes Hochgeschwindigkeitsschiff, das regelmäßig auf der Route zum äußeren System und zurück verkehrt. Das Schiff selbst, die Fracht und die Passagiere machen fünf Prozent der Masse aus, riesige bauchige Tanks voll flüssigen Wasserstoffs die übrigen fünfundneunzig. Vielleicht wird vor diesem Hintergrund schon deutlich, worin mein Problem liegt. Indy kann nur rund fünfzig Tonnen Fracht befördern, und das schließt die knapp hundert Passagiere mit ein. Was zur Folge hat, dass selbst wir in der Ersten Klasse so eng aufeinanderhocken, als wären wir vorläufig eingemottete Arbeitssklaven in irgendeinem Lagerhaus. Meine Kabine ist einen Meter breit, einen Meter lang und drei Meter hoch und damit sogar geräumiger als die anderen. Vermutlich ist sie deshalb größer, weil sie oberhalb des Kernreaktors liegt. Allerdings würde ich in eine normale Kabine von einem Meter Breite, einem Meter Länge und
anderthalb Meter Höhe auch gar nicht hineinpassen. Diese Normalkabinen sind auf Aristos in Chibi-Größe zugeschnitten, was mal wieder typisch ist. Wie üblich haben sie sich als Erste alles unter den Nagel gerissen, und andere Reisende haben das Nachsehen.
    Der Salon der Ersten Klasse ist knapp fünf Meter lang und zwei Meter breit. Selbst in meiner Arbeiterunterkunft auf Venus hatte ich mehr Platz! Und ich musste sie nicht mit einem Haufen ekelhafter, intriganter Aristokraten teilen, die wegen wer weiß was zum Jupiter unterwegs sind.
    Lieber bleibe ich, umgeben von Stahlwänden, in meiner engen Koje liegen, versuche die Blitze in meinem Blickfeld zu ignorieren und verfluche Jeeves rundheraus dafür, dass er für mich einen Platz auf dieser fliegenden Todesfalle gebucht hat. Ganz zu schweigen davon, dass das Anlegen der zweiten Kapsel, die ihn zurückbrachte, meine Ankunft auf dem Raumschiff verzögert hat und ich deshalb keine bessere Kabine ergattern konnte. (Ich gebe ja zu, dass zwei dazugehören, den Tango in der Horizontalen zu tanzen; trotzdem kann ich mir nicht vorstellen, dass er sich ein ganzes Jahr lang oberhalb eines atomaren Kessels dünsten lassen würde.)
    Als das Herumliegen auf dem Bett mich zu langweilen beginnt, wandle ich es zu einer Chaiselongue um und übe mich darin, mich darauf elegant zurückzulehnen. Allerdings ist das recht schwierig, wenn das Schiff nur ein Hundertstel g beschleunigt und die Schwerkraft fehlt. An meine Garderobe komme ich an Bord dieses

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