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Die Kinder des Saturn

Die Kinder des Saturn

Titel: Die Kinder des Saturn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stross Charles
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Zweifellos hat sie mit mir keine enge Unterkunft auf einem schnellen Raumschiff mit Kurs auf Eris geteilt. Als ich mir den Nacken reibe, hindert mich nichts daran, das obere Ende des Seelenchips anzufassen. Okay, also befinde ich mich auf Eris, und aus unbekannten Gründen hat niemand bemerkt, dass ich … Was? Geschlafen habe? Unter einer Persönlichkeitsspaltung litt? Das wäre plausibel, wenn … Ich versuche den anderen Seelenchip zu berühren, der oberhalb meines Haaransatzes in den Schädel eingebettet ist, doch es ist so, als ob eine unsichtbare Hand mein Handgelenk energisch wegschiebt. Finger weg, Schwester, mahnt mich Juliette.
    Wo ist Granita?, frage ich meine gespenstische Schwester. Ich habe das beunruhigende Gefühl, dass Juliette unmittelbar hinter meiner linken Schulter steht, obwohl mir klar ist, dass ich sie nicht sehen werde, wenn ich mich umdrehe. Was ist geschehen?
    Granita hat mich gebeten, mir das Biom, den Lebensraum für die Konstrukte, persönlich anzusehen, da sie sich in Heinleingrad um andere Dinge kümmern muss.
    Scheiße. Es liegt an diesem Seelenchip. Ich trage Juliette jetzt schon mehr als fünf Jahre in mir. Das sollte man nicht tun. Seelenchips sind dazu da, Erinnerungen und Eindrücke zu übertragen, und das dauert nur einige Monate, nicht Jahre. Also habe
ich offenbar angefangen, Selbstgespräche zu führen, wie? Oder ist es sogar noch weitergegangen? Es gibt sonderbare Geschichten über Persönlichkeitsstörungen, die einen befallen können, wenn die Seele einer verstorbenen Schwester allzu lange das eigene Gehirn prägt. Ich sollte diesen Chip wirklich herausholen, aber … Mach dir keine Sorgen darüber. Ich bin nur eine Ausgeburt deiner Fantasie – solange du die Finger von meinem Chip lässt, setzt sie Unheil verkündend nach.
    »Welche Megafauna kann in Ihrer Biosphäre denn sonst noch leben?«, frage ich in der Hoffnung, auf andere Gedanken zu kommen.
    »Alle möglichen Arten«, erwidert mein Gästeführer mit schlecht verborgener Selbstzufriedenheit. »Wir haben auch Hühner. Und Strauße. Sie sehen wie Hühner aus, nur sind sie größer! Einer meiner Kollegen hat an der Entwicklung eines Tyrannosauriers gearbeitet – dieses Konstrukt sieht wie ein wirklich riesiges Huhn mit Zähnen aus, aber aus Gründen der Architektur können wir ihn jetzt noch nicht frei herumlaufen lassen.«
    »Aus Gründen der Architektur?«
    »In dieser Schwerkraft sind seine Beinmuskeln so leistungsfähig, dass er ans Dach prallen würde, wenn sein Sprungreflex ausgelöst wird. Und die Überdachung würde nicht standhalten, wenn ein Tyrannosaurier mit dem Kopf dagegen stößt.«
    »Verstehe. Hat es einen bestimmten Grund, dass Sie einen Tyrannosaurier schaffen wollten?«, frage ich, während ich mich mit langsamen Sprüngen, so wie die Spaziergänger auf dem Mond, den Abhang hinunterbewege, zwischen den belaubten »Bäumen« hindurch, von denen Schmelzwasser tropft.
    »Es sind einige Texte erhalten geblieben, in denen Tyrannosaurier in engem Zusammenhang mit unseren Schöpfern erwähnt werden.« Die Stimme scheint mir zu folgen. »Darin werden Menschen beschrieben, die Tyrannosaurier jagen, und die Verfasser behaupten, beide Arten hätten zur selben Zeit gelebt, während einer Epoche, die sie als ›vorsintflutlich‹ bezeichnen. Das ist zwar etwas umstritten, aber was könnten wir schon dagegenhalten? Es
ist anzunehmen, dass die Schöpfer die eigenen Funktionsparameter kannten. Wenn Tyrannosaurier zu der Biosphäre gehörten, für die die Menschen geschaffen waren, brauchen wir Tyrannosaurier. Deshalb verstärken wir jetzt die Überdachung.«
    »Könnten Sie stattdessen den Tyrannosaurier nicht einfach mit einem gepolsterten Schutzhelm ausstatten?«, frage ich. Inzwischen habe ich den Rand der Baumgruppe erreicht. Dort wachsen an einem schlammigen Graben, dessen Wasser nur ein Rinnsal ist, dicht an dicht kurze grüne Pflanzen, die wie Messer geformt sind. »He, darf man diese Dinger da anfassen, oder ist es gefährlich?«
    »Das nennt man Gras . Keine Angst, es ist nicht so scharf, wie es aussieht. – Der Schutzhelm ist eine gute Idee. Ich werde sie dem Bauausschuss vorschlagen, wenn Sie nichts dagegen haben. Vorsicht, am Bachufer ist es glitschig.«
    »Stimmt.« Ich ducke mich und springe aus dem Stand heraus über den Graben, so hoch, dass ich über die Bäume hinwegsegle. Mit verblüffendem Schwung lande ich im Gras und grabe die Fersen in den kohlehaltigen Boden. Die aufgewühlte Erde setzt

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