Die Kinder des Saturn
zwitschert es und landet mit einem nichtssagenden Kästchen, das von einem langen Verbindungskabel herunterbaumelt, auf der Schalterplatte.
Mit starrem Gesicht lege ich den Kopf in den Nacken, um den Kontakt zu der leeren Buchse herzustellen, aus der ich Granitas zerstörten Versklavungschip inzwischen entfernt habe. Es ist das erste Mal, dass ich mich tatsächlich ganz formell als Sorico ausweisen muss, und das unheimliche Gefühl, dass Finger meine Erinnerungen durchforsten, macht mich völlig nervös. Sie werden mir draufkommen, glaube ich schon fast, als der Geschäftsführer heftig nickt und lächelt. »Alles in bester Ordnung, Madame. Im Namen aller Bürger möchte ich Sie in Heinleingrad herzlich willkommen heißen! Ich kann Ihnen sofort
zusagen, dass wir Ihnen erfreulicherweise einen Kreditrahmen von … äh, bis zu zweihundertfünfzigtausend Real gewähren können, sobald wir die Bestätigung Ihres Kontostands vom Hauptbüro erhalten haben, was etwa achtzehn Stunden dauern wird. Kann ich in der Zwischenzeit irgendetwas für Sie tun?«, fragt er diensteifrig.
Während das Teufelchen, das die Identitätsprüfung von Lady Sorico vorgenommen hat, auf dem Gerät herumhüpft und sich schließlich am Verbindungskabel zur Zimmerdecke hinaufhangelt, zaubere ich erneut ein Lächeln auf mein Gesicht – das kalte Zähnefletschen der Kate Sorico. »Ich möchte gern Informationen darüber einholen, wer gegenwärtig Eigner eines bestimmten Privatunternehmens auf der Erde ist. Außerdem würde ich bei Ihnen gern ein geschütztes Terminal benutzen, wenn ich darf, um einige vertrauliche Geschäftsangelegenheiten abzuwickeln.«
Eine Viertelmillion Real! Das reicht aus, um nach Hause zurückzukehren und dort als immer noch wohlhabende Person zu landen, falls ich mich auf ein langsames Schiff und dreißig Jahre im Kälteschlaf einlasse. Ich brauche nicht mal mehr für Jeeves zu arbeiten. Das Problem ist nur, dass ich es mir nicht leisten kann, irgendeinen Schlamassel zu hinterlassen, sinniert ein Teil von mir, der verdächtig nach Juliette klingt.
»Aber gewiss doch! Wenn Madame bitte mitkommen würden?«
Von der Bank aus verschicke ich zwei Voicemails. Die erste an eine Mailbox, bei der ich mich schon seit meiner Ankunft auf Mars hätte melden sollen. Ich hoffe nur, dass die Empfängerin ihre Mails auch abruft. Die zweite …
»Hallo, hier die Firma Jeeves. Was kann ich für Sie tun?« Bei der Übertragung gibt es überhaupt keine Verzögerung. Er muss online innerhalb dieses Systems sein.
»Jeeves? Hier ist Kate Sorico. Ich rufe von der Filiale der Banco di Nuovo Ambrosiano in Heinleingrad aus an und muss mich
kurz fassen. Wissen Sie, was vor knapp vier Jahren in Nerrivik passiert ist?«
Vom anderen Ende her ist ein Geräusch zu hören, das für mich so klingt, als beiße jemand in einen Telefonhörer. Also warte ich darauf, dass Jeeves sich wieder in den Griff bekommt. Nach neunzehn Sekunden folgt eine einzige Silbe, ein angespanntes »Ja«.
»Ich bin mit der dafür verantwortlichen Gruppierung und mit Ihrem jüngeren Bruder hier in Heinleingrad. Leider geht es Ihrem Bruder keineswegs gut.«
Erneut eine lange Pause. »Ja, Letzteres habe ich mir schon gedacht.«
Bislang habe ich noch keine Brücken hinter mir abgerissen. Meiner Ansicht nach habe ich nichts unternommen, das ich Granita nicht als albernen, verrückten Akt vorauseilenden Gehorsams erklären könnte. Doch an diesem Punkt … »Was erwarten Sie jetzt von mir? Was soll ich tun?« Es ist ein Tanz auf dem Vulkan. Wie lässt sich das hier als irgendetwas anderes als Illoyalität gegenüber Granita deuten? Vielleicht hat sie auch den Jeeves auf Eris bereits versklavt, und er gibt alles an sie weiter …
Es folgt eine weitere bedeutungsschwangere Pause. »Der Einsatz ist abgeblasen, F… Kate. Sind Sie in der Lage, sich in Sicherheit zu bringen?«
Die Pausen entstehen deshalb, weil er jetzt seinerseits herauszufinden versucht, was vor sich geht. Schließlich weiß er, dass Granita mich gekidnappt hat. Bestimmt fragt er sich: Ist das hier nur ein raffinierter Trick Granitas, um auch mich bei dem Versuch, meinen entführten Bruder zu befreien, in ihre Gewalt zu bringen? Oder geht es hier um etwas anderes? Wäre ich an seiner Stelle, würden meine Gehirnwindungen jetzt durchglühen. Also lecke ich mir über die Lippen und hole zum Schlag aus.
»Lassen Sie mich laut spekulieren«, sage ich. »Sie haben für, äh, diese Handelsmesse einen Plan B parat. Aber
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