Die Kinder des Saturn
Freunde erinnern, falls schwierige Zeiten auf uns zukommen.« Während sie mich anstarrt, funkeln ihre Augen so kalt und strahlend wie Glaskristallsteine.
»Selbstverständlich, gnädige Frau.« Ich nicke und senke den Kopf dabei fast zu einer Verbeugung. Das übe ich täglich, denn es ist typisch für die herrschende Kaste der Bishojos. »Das werde ich.«
»Also gut, dann ist die Sache ja geritzt.« Sie täuscht eine unbekümmerte Fröhlichkeit vor, dabei habe ich sie mit der Andeutung, es könne zu einer Sklavenrebellion kommen, soeben fast zu Tode erschreckt. »Eine Hand wäscht die andere, finde ich.«
»Ach ja?« Das Trichloroethan im Likör reizt meine chemotaktischen Sensoren mit einer so köstlichen Wärme, dass ich leicht desorientiert bin.
»Die Pink Goo -Polizei wurde vor kurzem in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt. Anscheinend fürchtet man, dass irgendjemand Replikatoren erbeutet hat, die auf Mars verborgen waren. Deshalb durchsucht die Polizei alle ankommenden und abreisenden
Passagiere. Und ich fürchte, unsere Abfertigung wird sich trotz all meiner Verbindungen verzögern.«
Einige Sekunden lang sitze ich wie erstarrt da, dann kippe ich den Rest des Likörs mit einem Schluck hinunter, um meinen Schock zu kaschieren. Zwei Dinge liegen auf der Hand: Erstens habe ich Granita Ford keineswegs hinters Licht führen können; sie nimmt an, dass ich irgendetwas schmuggle. Zweitens hält die Polizei eindeutig nach mir Ausschau, falls Granita die Wahrheit sagt (und nicht nur durchtrieben lügt, um mich aus der Reserve zu locken).
Und das bedeutet, dass Jeeves in seiner Organisation eine undichte Stelle hat.
Ich kehre in die Platzangst erzeugende Enge meiner vornehmen Einzelkabine zurück, die mit Zellenemaille und üppigen Samtvorhängen ausgekleidet ist, damit die seifenblasendünnen, mit Lithium legierten Wände nicht zu sehen sind. Einer meiner »Diener« fehlt: Bill ist unterwegs, während Ben wie üblich zwischen meinem Schrankkoffer und dem Innenschott hockt und auf einem Kabel herumkaut. »Sie schon wieder«, murmelt er.
»Wo ist Bill?«
»Das geht Sie gar nichts an, Gebieterin .« Sein Sarkasmus lässt jeden Charme vermissen.
»Dann wird er wohl nicht hören wollen, was ich gerade im Salon aufgeschnappt habe«, blaffe ich Ben an, während ich die Sicherheitsbügel meines Bettes aufklappe und hineinschwebe. »Die Pink Goo -Polizei hat inzwischen erhöhte Alarmbereitschaft. Sie überwacht den gesamten Verkehr zwischen Mars und der Umlaufbahn.«
»Oh«, ist zu meiner Enttäuschung das Einzige, was Ben darauf erwidert. Er steht auf und lässt das Kabel los. »Dann geh ich wohl besser und sag’s ihm.« Unverzüglich verschwindet er durch die Personalluke.
Da ich vorübergehend allein bin, lasse ich mich auf das Bett gleiten und klappe die Sicherheitsbügel wieder herunter. (Normalerweise hat die Pygmalion zwar nur eine Beschleunigung von einem knappen Hundertstel g , aber hin und wieder muss sie Raumtrümmern ausweichen. Und wenn man mehrere Hundert Kilometer pro Sekunde zurücklegt, kann sogar ein Sandkorn tödlich sein, denn es zeichnet sich aus größerer Entfernung nicht auf dem Radarschirm ab. Folglich können die Ausweichmanöver des Schiffes sehr heftig ausfallen. Wenn die Aristos im Ernstfall aufgrund des Schubs von Steuerraketen an der Kabinendecke kleben, lernen selbst die größten Querköpfe unter ihnen, die Sicherheitsbügel über ihren Betten zu respektieren.)
Während ich sicher in meiner Koje liege, checke ich mein Notebook auf Mails, wie immer in den letzten fünfzig Tagen. Meistens sammelt sich dort nur belangloser Quatsch, den ich aber trotzdem mit einigem Zeitaufwand beantworten muss: Anfragen von den Leuten, die Katherine Soricos fiktive Besitztümer verwalten, Aufforderungen, die Auszahlung von finanziellen Mitteln zu genehmigen oder geschäftliche Rechnungen zu begleichen – alles ohne jede Bedeutung, aber unerlässlich, um meine persönliche Tarnung aufrechtzuerhalten. Doch heute entdecke ich in all diesem Müll eine echte Nachricht, was mich verblüfft. Angeblich geht es darin um Reparaturen an einem Sommerhaus in Tasmanien, aber als ich den Text hastig überfliege, merke ich, dass eine Projektion mit persönlicher Botschaft beigefügt ist. Die Nachricht kommt von Emma!
»Schwester.« Warum schlägt sie plötzlich einen so förmlichen Ton an? »Soweit ich weiß, hast du dich inzwischen mit meiner Freundin getroffen.« Ach ja? »Und du bist nicht mehr auf Venus.
Weitere Kostenlose Bücher