Die Kinder des Saturn
einzusetzen.« Als sie nach mir greift, schiebe ich ihre Hand mit genau berechneter Empörung weg, kneife meine schmerzhaft großen Augen zu Schlitzen zusammen und sehe sie an.
Wenn du wüsstest …
kleine körper, lose verkoppelt
WENN DIE SITUATION IM ALL außer Kontrolle gerät, dann in der Regel fast ohne Vorwarnung, doch diesmal ist es anders.
Inzwischen sind wir seit achtundachtzig Tagen unterwegs. Nach einem heftigen Streit und einer dreitägigen Abkühlungsphase, in der ich mich schmollend zurückgezogen habe, darf Granita mich erneut umgarnen und in ihr Netz locken. Sie gibt sich alle Mühe, meine Wut durch unterwürfige Reue und schamlose Selbsterniedrigung zu beschwichtigen. Wer hätte das gedacht?! Es kann nicht leicht sein, tagsüber als skrupellose Unternehmerin zu agieren und sich nachts nach der Knute eines Schöpfers zu verzehren. Und so benutzen wir einander stillschweigend, treffen ein vorsichtiges Arrangement, bis wir dann irgendwann doch wieder keuchend am fernen Ufer der Ekstase landen. Bestimmt klatscht und tratscht schon der ganze Salon darüber, aber Granita ist alt und abgebrüht genug, sich nicht darum zu scheren, und ich bin daran gewöhnt, als Freak abgestempelt zu werden.
Deshalb bin ich auch völlig verblüfft, als sich die Pygmalion eines Abends in meiner Kabine in Elektrosprache an mich wendet. »Lady Sorico«, sagt das Schiff, »wir haben ein Problem.«
Schlagartig erwache ich aus einem verwirrenden Traum, in dem Zwerge um einen Stab herumtanzten. Ich bin allein im Raum. Bill und Ben sind zu irgendwelchen nächtlichen Abenteuern unterwegs, von denen ich keine Ahnung habe. Meine kostbare eiförmige Fracht sitzt an der Stelle, wo weibliche Exemplare unserer Schöpfer ihre Reproduktionsapparate hatten, und übt einen warmen Druck auf meinen Unterleib aus. Einen Augenblick
lang bin ich entsetzt, weil ich glaube, die Pygamlion habe mich gescannt und mein Frachtgut identifiziert, aber dieser Moment geht vorbei. »Was ist los?«, frage ich.
»Immer, wenn ich versuche, mit der Verkehrsüberwachung zu kommunizieren, kommt es zu einer unerklärlichen Wartezeit. Es dauert viel zu lange, Informationspakete zu übermitteln. Außerdem habe ich gerade bemerkt, dass wir hier draußen nicht allein sind.«
»Nicht allein?«
»Ich werde es Ihnen auf einem Schaubild zeigen.«
Seit einer Woche befinden wir uns auf dem Anflug zum Marshafen, drosseln das Tempo um ein Hundertstel g und brauchen noch etwas mehr als einen Tag bis zur Ankunft. Nach wie vor müssen wir unsere Maximalgeschwindigkeit um fast zehn Kilometer pro Sekunde vermindern, ehe der Mars uns auffangen kann. Unser Plasmasegel – eine riesige feine Gashülle, die mit Hilfe sorgfältig kontrollierter Magnetfelder an Ort und Stelle haftet – ist aufgebläht und bauscht sich in Reaktion auf den bremsenden Magnetstrahl, den unser Zielhafen ausschickt. Aus der Entfernung von nicht einmal fünfhunderttausend Kilometern ist der Mars als Scheibe auszumachen, aber wir sind noch nicht in die Umlaufbahn eingetaucht.
»Wir sind hier «, zeigt die Pygmalion . »Also dürfte das Anpingen des Marshafens nicht mehr als drei Sekunden in Anspruch nehmen. Stattdessen sind es eher sechs Sekunden. Außerdem treten unerklärliche Störungen auf. Fast ein Viertel meiner Daten weisen Anzeichen von Manipulation auf.«
Hoppla. »Wozu diese Informationen?«, frage ich vorsichtig. »Das ist doch sicher eine Sache, die nur die Verkehrsüberwachung angeht. Und wenn schon die Passagiere, dann alle …«
»Das Sicherheitsbüro der Fluglinie Higgins nimmt bei jedem zahlenden Passagier eine Einschätzung des potenziellen Sicherheitsrisikos vor«, erklärt die Pygmalion höflich. »Insbesondere bei jenen, die für zusätzliche Dienstleistungen gezahlt haben. Zwei Passagiere wurden als mögliche Störquellen identifiziert. Sie sind
eine davon. Die andere ist Lady Granita Ford, mit der Sie wohl gut bekannt sind.«
»Bei ihr verstehe ich es ja – schließlich ist sie stinkreich. Aber warum ich …«
»Der Linie Higgins ist bekannt, dass Ihr Flugticket von der Firma Jeeves bezahlt wurde. Gleichzeitig hat die Firma Jeeves mehrere Tickets für weitere Personen erworben, die mit anderen Linien reisen. Drei von ihnen wurden inzwischen ermordet. Die Linie Higgins«, fährt das Schiff unverkennbar selbstgefällig fort, »hat noch nie einen Passagier aufgrund eines Attentats verloren, und wir haben nicht das geringste Interesse daran, dass sich daran etwas ändert. Schon
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