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Die Kinder des Saturn

Die Kinder des Saturn

Titel: Die Kinder des Saturn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stross Charles
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über lausche ich auf die stampfenden Schritte der Friedhofswärter und rechne jeden Moment mit einem Druck auf meinem Rücken, der mich zerquetscht. Aber es passiert nichts, und nach einer Weile hoffe ich, dass Daks’ unerwarteter Aufstieg in die Lüfte sie völlig verwirrt hat und sie auch nicht damit rechnen, dass ich trotz der Verletzungen noch kriechen kann. Nachdem ich mich von einem weiteren Schwindelanfall erholt habe, strecke ich die rechte Hand aus und greife nach der Einstiegsluke der Spinne.
    »Du bist fast da, Babe.«
    »Eines Tages in ferner Zukunft …« Ich bringe meinen Arm dazu, sich zu beugen. Hier wiege ich nicht viel. Auf der Erde könnte ich mich wohl kaum auf diese Weise hochziehen. Aber hier … Warum scheine ich plötzlich zu viel zu wiegen?
    »Fast …«
    Ich ziehe meinen anderen, geschwächten Arm zur Luke hinüber. Da meine Finger nicht richtig greifen können, schiebe ich mein Handgelenk in die Lücke zwischen Windschutzscheibe und Luke. Mein rechter Arm zieht sich so zusammen, dass ich mich
hochstemmen kann. Zugleich versuche ich, den verletzten linken Arm vor dem steinigen Boden zu schützen …
    »Eines Tages werde ich …«
    »… da!«, kreischt Daks mir zur Ermutigung zu.
    »… dir sagen, wie sehr …«
    Plumps. Einen Moment lang vernebelt sich alles ringsum, dann merke ich, dass ich auf dem Fahrersitz hocke. Immer noch klammert sich mein rechter Arm an die Luke. Ich bringe einen Finger nach dem anderen dazu loszulassen, greife nach unten und zerre mein taubes Bein hinein.
    »Beeil dich!«
    In meinen Pobacken spüre ich ein schwaches Vibrieren.
    »Sie haben uns entdeckt!«
    »… wie sehr ich …« Dich hasse , denke ich. »… dich liebe«, sage ich laut und greife mit der unversehrten rechten Hand nach der Lenkung. »Bist du angeschnallt?«
    »Ja, Babe. Babe? Fahr los!«
    Ich drücke auf den Startknopf der Spinne. Die Tarngeschichte spielt jetzt keine Rolle mehr; wir haben die Ware an uns gebracht. »Heim zu Jeeves!«, befehle ich der Spinne lallend. Gleich darauf fahre ich all meine Betriebssysteme herunter und sinke in seliges Vergessen.

    Die ehrwürdige Granita Ford nimmt sich fast die ganze Reise über Zeit, ihr Spielchen mit mir zu treiben. Ihre Verführungstechnik ist genau durchdacht, ausgefeilt und professionell – kurz so perfekt, dass es einen dabei frösteln kann. Und ich bin diesem Annäherungsversuch, für den sie sich so viel Zeit lässt, hilflos ausgeliefert. Es kommt mir so vor, als wüsste sie genau, wo meine Schwachstellen liegen. (Es kann aber auch sein, dass ich mich täusche und sie sich dieses Spielchen nur ausgedacht hat, um sich die Langeweile zu vertreiben. Ehrlich gesagt machen auch mir die neunzig Tage in einer zwischen den Welten pendelnden Metallblase zu schaffen, zumal ich keine andere Gesellschaft habe als
Gangster und deren Sklaven. Inzwischen bin ich überaus gereizt und frustriert. Eine solche Phase habe ich schon einmal durchgemacht, vor Jahren, auf Venus. Dort war mein Modell so wenig gefragt, dass ich irgendwann fast glaubte, ich müsse mich damit abfinden, als Objekt der Begierde ausgedient zu haben. Doch die jüngsten Ereignisse haben mein Bedürfnis nach Intimität erneut geweckt. Und innerhalb meiner Sippe ist dieser Drang nach Intimität ein mächtiger, alles beherrschender Trieb. Wir brauchen das Gefühl, begehrt zu werden. Zwar bringt uns der Mangel an Sex nicht um, aber wir schrumpfen innerlich und äußerlich dabei irgendwie zusammen.)
    Nach siebzig Reisetagen erschauert mein Körper schon, wenn Granita nur den kleinen Finger nach mir ausstreckt. Was anscheinend genau das ist, was sie sich wünscht. Es ist schwierig, sich der Bestimmung zu widersetzen, für die man geschaffen wurde. Je stärker die darauf ausgerichtete soziale Konditionierung, desto mühsamer, dagegen anzugehen. Sicher ist auch eine Planierraupe ziemlich unglücklich, wenn sie keine Straßen mehr findet, die sie platt walzen kann. Aber das ist gar nichts im Vergleich zu dem Elend meiner Sippe, wenn man ihr ein Zwangszölibat auferlegt. Um dagegen anzukämpfen, rufe ich mir ins Gedächtnis, was wirklich zählt: dass man auch am Morgen danach noch mit erhobenem Kopf in den Spiegel sehen kann und sich die Unabhängigkeit bewahrt. Und finde mich damit ab, aufgrund meiner unbefriedigten Gier auf unbestimmte Zeit mit weichen Knien herumzulaufen.
    Anfangs sind Granitas Annäherungsversuche nicht allzu offensichtlich. Schließlich kann sie auch auf ihren Tross, ihren

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