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Die Kinder des Saturn

Die Kinder des Saturn

Titel: Die Kinder des Saturn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stross Charles
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Militärmaschine.«
    Erneut blicke ich zu dem näher kommenden Flugobjekt hinüber. Piraten? Polizei? Ich weiß nicht, ob das überhaupt noch eine Rolle spielt. Keine der Alternativen gibt Anlass zu Optimismus. Das schnittige Schiff ist an den Rändern sanft geschwungen und hat mit Dreiecken überzogene Oberflächen, die meinen Augen wehtun, als ich versuche, die Struktur zu erfassen. Soeben wird der stummelartige Kegel des Hauptantriebs sichtbar. Die glockenförmige Zerstäuberdüse glüht purpurrot, wie selbst durch die neblige Plasmadecke hindurch zu erkennen ist. Das Schiff nähert sich der Pygmalion von der Seite her. Fast eine Minute lang bin ich wie gelähmt vor Angst, denn ich befürchte alles Mögliche: Vielleicht wird das Ding das Schiff rammen, von dem wir herunterbaumeln. Oder die ionisierte Magnetblase zum Schmelzen bringen. Oder seinen Hauptantrieb falsch ausrichten und uns alle in weißglühende Raumtrümmer verwandeln …
    Doch gleich darauf erlischt das blendende Licht, und mir verrät ein Rucken im Kabel, dass der Neuankömmling angedockt hat. War doch klar, sagt sich ein Teil von mir. Selbstverständlich hatten sie gar nicht vor, das Segel zu destabilisieren. Jedenfalls wollen sie das nicht, solange wir uns auf dem von Phobos ausgeschickten Magnetstrahl und dem Anflug zum Marshafen befinden.
    »Zeit für Phase C«, sagt Bill (oder Ben). Vermutlich liest er das von der detaillierten Checkliste ab, die die Pygmalion für uns erstellt hat.
    »Jetzt schon?« Ich überprüfe den anderen Sack, der von meinem Gürtel herunterbaumelt. Ja, alles noch an Ort und Stelle. »Okay, ich bin so weit. Am besten, wir halten ein Auge darauf, was im Salon passiert, ja?« Gleich darauf beginne ich mit dem Aufstieg, hangele mich am Kabel entlang und hole es dabei Stück für Stück ein. Ich fühle mich so, als würde ich hier höchstens ein Kilogramm wiegen, selbst mit der Last meiner Passagiere. Die Kunst besteht darin, jetzt nichts zu überstürzen und
die untere Seite der Luftschleuse mit dem Kopf voran zu erreichen.
    Im Salon herrscht dicke Luft. Die aufgebrachten Reisenden sind mit Schuldzuweisungen beschäftigt. Granita liest den Lyrae-Zwillingen die Leviten, Reza Agile verlangt meinen Kopf (offenbar hält sie mich – ausgerechnet mich! – für einen Polizeispitzel), Mary X. kauert in einer Ecke und versucht verzweifelt, jeden, der bereit ist, ihr zuzuhören, davon zu überzeugen, dass sie nichts mit was auch immer zu tun hat.
    Nach und nach verdichtet sich der Dampf, der in großen Schwaden in den Salon gepumpt wird. Die Pygmalion ist verstummt und erfüllt offenbar alles, was die Störenfriede nach dem Andocken von ihr verlangt haben. Ich kann nicht genau sagen, was gerade passiert, aber einer Sache bin ich mir sicher: Wenn gefährliche Bots an Bord eines Raumschiffs gehen und dort nach einem fahnden, ist man am besten anderswo aufgehoben: an Bord eines anderen Flugobjekts.
    Eine schnarrende autoritäre Stimme benutzt erneut die Sprechanlage. »Achtung, Passagiere und Schiff. Ihre Druckkabinen werden derzeit desinfiziert. Sobald die Desinfektion abgeschlossen ist, werden Polizeibeamte an Bord kommen. Es handelt sich hier um eine offizielle Inspektion der Behörde zur Unterdrückung der Replikation. Sie stehen unter Verdacht, illegale Substanzen – Replikatoren – mit sich zu führen. Die Genehmigung, zum Marshafen weiterzureisen, wird man Ihnen erst erteilen, nachdem alle Passagiere durchsucht und entkeimt worden sind. Jeden Widerstand werden wir streng bestrafen.«
    Es ist tatsächlich die Pink Goo -Polizei. Ausgerechnet! Piraten wären die harmlosere Alternative. Meistens kann man mit Kapitalisten, die sich außerhalb des Gesetzes bewegen, ein Lösegeld aushandeln, aber die Pink Goo -Polizei ist leider nur selten käuflich. Während ich kurz pausiere und eine Hand gegen meinen Unterleib drücke, sehe ich vor meinem geistigen Auge, wie sich das Frachtgut da drinnen unaufhörlich repliziert. Beschädigen Magnetfelder Pink Goo?, frage ich mich plötzlich. Vielleicht habe
ich den Auftrag völlig vermasselt! Doch im Moment habe ich keine Zeit, mir Sorgen darüber zu machen, wenn ich mich selbst in Sicherheit bringen will.
    Wenn ich’s richtig betrachte, denke ich, während ich mich der Andockschleuse über mir nähere, ist der letzte Ort, wo sie nach mir suchen würden, ihr eigenes Schiff, stimmt’s?
    Schwaden heißen Wasserdampfs rufen auf der empfindlichen Farbschicht im Salon der Pygmalion Blasen hervor,

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