Die Kinder des Teufels (German Edition)
fremde Frau so um sie kümmerte, fast schon, als sei sie ihre Tochter.
«Warum hilfst du mir?», fragte Kathi unvermittelt.
«Ist es dir unangenehm?»
«Nein, ich frage mich nur, warum du das tust.»
Sounya seufzte. «Ich hatte auch mal eine Tochter, ungefähr in deinem Alter.»
«Und wo ist sie?»
«Nicht hier.»
Sie brach die Unterhaltung unvermittelt ab.
«Komm und sieh dich an», sagte sie, nachdem sie die Zöpfe zu einem Knoten gerafft und mit der Nadel am Hinterkopf befestigt hatte. Sie führte Kathi zu einem Schrank und öffnete die Tür. Auf der Rückseite wartete eine Überraschung auf sie.
Der Schreck fuhr Kathi in die Glieder. Sie zuckte zurück. Was war das für ein Zauber?
«Hast du noch nie einen Spiegel gesehen?», fragte Sounya.
Nein, hatte sie nicht, nicht so einen. Der Bischof sollte einen Spiegel besitzen, hatte man sich in der Apotheke erzählt. Ein paar reiche Bürger und Adelige auch. Aber das war es dann auch schon. Nicht einmal der belesene und welterfahrene Grein hatte einen besessen. Dämonische Eitelkeit hatte er geschimpft. Das Weib und der Teufel finden sich im Spiegel .
Vorsichtig streckte sie die Hand aus, ihr Spiegelbild tat es ihr gleich. Noch immer war sie unsicher. Wie konnte das sein? Sie kannte ihr Spiegelbild zwar aus dem Wasser, in mancher Glasscheibe hatte sie sich auch schon gesehen, aber so echt wie das vor ihr, in ganzer Körpergröße, das war ihr neu und auch ein gutes Stück unheimlich.
«Fürchte dich nicht», ermutigte sie Sounya, «es wird dir nichts geschehen.»
Kathi drehte sich zur Seite, dann zur anderen. Irgendwie eigenartig war das, wie sie sich da sah, in einem Spiegel . Neben ihr diese schöne und geheimnisvolle Frau in ihrem schwarzen Kleid. Sie lächelte ihr zu, Mutter und Sohn, edel gekleidet, von Stand. Einzig Michael fehlte.
«Gefällst du dir?», fragte Sounya.
Sie konnte nicht anders, als die Frage zu bejahen. «Sehr.»
«Gut, dann komm.»
Sounya schloss die Tür und führte sie hinaus zum Feuer, wo Volkhardt bereits auf sie wartete. Als er Kathi erblickte, fehlten ihm die Worte.
«Kathi … bist du das?»
Sie lächelte stolz und auch ein wenig verliebt in ihre neuen Kleider.
«So hast du mich bestimmt noch nicht gesehen.»
Das traf vermutlich zu, denn Volkhardt wusste keine rechte Antwort darauf. «Du bist nicht wiederzuerkennen.»
«Genau so soll es sein», erwiderte Sounya. «Wenn ihr beide auf die Burg geht, dann soll euch niemand erkennen.»
«Wir tun was?», antwortete Volkhardt.
«Auf die Burg gehen.»
«Wie soll das geschehen? Wir wissen ja noch nicht einmal, wo sich Michael befindet.»
Ein Schatten löste sich aus der Dunkelheit, die sie umgab.
Djodji, Sounyas Rabe, verstand es, leise wie eine Eule durch die Luft zu gleiten. Kein Flattern war zu hören. Er tauchte einfach in Sounyas Schatten ein und verschmolz mit ihm, als wären beide eins. Manche würden von Zauberei sprechen.
Kathi konnte sich nicht erklären, welch eigenartige Beziehung zwischen Sounya und ihrem Raben Djodji bestand. Er saß auf ihrem erhobenen, angewinkelten Arm wie ein stolzer Falke, blickte sich um und krächzte leise.
Fast schien es, als verstünde Sounya, was er da sagte. Sie nickte zustimmend, streichelte sanft sein Gefieder. Dann ließ sie ihn gehen, und er flog in die Dunkelheit zurück.
«Wir müssen uns beeilen», sagte sie. «Dein Kind ist in Gefahr.»
[zur Inhaltsübersicht]
35
Die Kutsche sollte von niemandem aufgehalten werden. Sie passierte ungehindert die Tore.
Die Wachen waren dadurch alarmiert. Es passierte nicht jeden Tag, dass sie einen Befehl direkt vom Bischof erhielten, folglich musste etwas geschehen sein.
«Die zwei Söhne des Kochs haben den Verstand verloren», sagte einer.
Ein anderer: «Nein, der Teufel ist in sie gefahren.»
Ein Dritter: «In der Kanzlei hat es ein Hauen und Stechen geben. Auch den Generalvikar Riedner hat es erwischt.»
Dabei sollte doch gerade er, einer der höchsten Geistlichen nach dem Bischof, vor den Nachstellungen des Teufels gefeit sein.
«Der Teufel macht vor niemandem halt.»
Deshalb sollte man ihm nicht zu nahe kommen.
«Er kann leicht auf einen überspringen.»
«Ich gehe auf keinen Fall in den Kerker.»
«Ich auch nicht.»
Die Söhne des Kochs waren in den Kerker des Randersackerer Turms geworfen worden, wo einst schon Tilman Riemenschneider eingesperrt gewesen war. Jemand musste nach ihnen sehen und dem Bischof berichten, wie sich ihr Zustand entwickelte.
«Ich habe
Weitere Kostenlose Bücher