Die Kinder des Teufels (German Edition)
vom Keller aus gefolgt sein, anders war es nicht zu erklären. An eine Flucht war jetzt nicht mehr zu denken. Michael war krank und sie am Ende ihrer Kräfte. Sie glaubte gar, bei der Aussichtslosigkeit ihrer Situation den Boden unter den Füßen zu verlieren.
«Geht es dir nicht gut, mein Kind? Du bist ganz blass.»
O ja, blass und hoffnungslos verloren.
Er führte sie zu einer Bank. «Komm und setz dich.»
Sie ließ sich von ihm führen. Aber Moment mal … Irgendetwas stimmte hier nicht. Wenn dieser Priester nach ihr die Kirche betreten hatte, hätte sie ihn hören müssen. Außerdem wäre er nicht alleine, sondern mit den Knechten gekommen, um sie festzunehmen.
Zuversicht keimte auf. Der Priester war vor ihr in der Kirche gewesen, in einem der Seitenaltäre, und hatte gebetet. Das bedeutete, er suchte nicht nach ihr, und wenn sie Glück hatte, dann erkannte er sie auch nicht. Sie hatten sich auf der Straße zum Franziskanerkloster ja nur kurz gesehen. Er war mit anderen Dingen beschäftigt gewesen, als auf ein Mädchen zu achten.
«Geht es dir wieder besser?»
Das tat es.
«Habt Dank, Euer Hochwürden. Es ist schon wieder gut.»
Sie musterte ihn, wie er auf Michael herabblickte und sich vermutlich fragte, wieso er so dünn gekleidet war. Dann strich er ihm auch noch über sein braunes, lockiges Haar, das von Schweiß verklebt war.
«Was ist mit dem Kind?»
«Es ist krank.»
«Warum bist du dann mit ihm in eine Kirche gegangen, in einen kalten Beichtstuhl? Er sollte zu Hause in einem warmen Bett liegen.»
«Ich wollte beten», erwiderte sie geistesgegenwärtig, «für seine Gesundheit.»
Offenbar war das nicht die schlechteste Antwort. Der Fremde lächelte. Mit Blick auf Michael zeigte er sich aber besorgt.
«Du solltest besser mit ihm zu einem Doktor gehen … oder in eine Apotheke.»
Doktor? Apotheke? Ja, das war eine Erklärung, was sie gleich nach dem Kirchgang machen wollte, sollte er sie weiter ausfragen.
«Meine Mutter hat mich in die Stadt geschickt, um Medizin für ihn zu besorgen.»
«Und wieso macht sie das nicht selbst?»
«Weil auch sie krank ist, so sehr, dass sie nur noch schläft. Einen Vater habe ich nicht mehr, auch keine Brüder. Daher musste ich gehen.»
Er schaute sie an, und Kathi meinte, sein zweifelnder Blick würde ewig dauern. Was dachte er, fragte sie sich. Wie konnte sie ihn überzeugen, dass ihre Geschichte stimmte, dass sie wirklich ein Kind vom Land war?
Krankheit. Medizin. Apotheke.
Da fiel es ihr ein. Die alte Verordnung, die sie in Greins Buch als Lesezeichen gefunden hatte. Sie betete, dass sie sie noch immer bei sich trug. Sie griff in die Rocktasche, und ein Stein fiel ihr vom Herzen. Der Zettel war noch da.
«Seht», sagte sie, «hier ist das Rezept des Doktors. Damit soll ich in die Stadt, in die Apotheke gehen.»
Crispin warf einen Blick darauf, aber eigentlich schien es ihn nicht wirklich zu interessieren. «Schon gut.» Er legte behutsam seine Hand auf ihren Kopf. «Und es hat dich niemand in die Stadt begleitet?»
«Nein, Euer Hochwürden. Alle sind ja krank.»
Er schaute besorgt. «Aber wieso bist du so dünn gekleidet?»
Stimmt. Wer auf eine Reise ging, zog sich gemeinhin warm an. «Mehr besitze ich nicht.»
Er schüttelte besorgt den Kopf und seufzte.
«Du wirst dir den Tod holen, und dein Brüderchen gleich mit, wenn ihr nicht gleich …»
Etwas schien ihm eingefallen zu sein, etwas, das ihn belastete, etwas, das der Grund für sein Gebet war. Er setzte neu an.
«Lass uns zusammen zur Apotheke gehen und Medizin für dein Brüderchen kaufen.»
Das war eine ganz schlechte Idee. Überall wurde nach ihr gesucht. Was, wenn sie jemand auf der Straße erkannte?
«Ich bleibe doch noch ein wenig länger hier und bete.»
«Es ehrt dich, Trost und Hoffnung in der Zuwendung zu Gott zu suchen, aber die Gesundheit deines Bruders erscheint mir dringender. Komm jetzt.»
Er reichte ihr auffordernd die Hand. Kathi konnte sie nicht ausschlagen, nicht wirklich, andernfalls hätte sie sich noch verdächtiger gemacht.
«Außerdem brauchen du und dein Brüderchen dringend warme Kleidung.»
Er ging zurück zu den Beichtstühlen. Im zweiten fand er eine Decke, die der Priester in der kalten Jahreszeit benutzte, um bei der Beichte nicht zu frieren. Er legte die Decke Kathi um und ging dann mit ihr hinaus auf die Straße.
Ochsenkarren ratterten vorbei, Menschen wechselten die Straßenseiten. Sie schauten weder links noch rechts, ein jeder duckte sich
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