Die Kinder des Teufels (German Edition)
Wunder war, jedes zweite Kind war erkältet. Sie wiegte Michael im Arm und flößte ihm Tee ein.
«Wie geht es ihm?», fragte Volkhardt, der gerade mit Otto vom Schuppen zurückkam. Sie stellten sich ans Feuer, wärmten sich die Hände.
«Das ist nicht der rechte Ort für ein Kind», antwortete Kathi kühl.
Und damit meinte sie nicht nur Michael. In jeder Ecke des kalten Kellers hustete und keuchte es. Das Fieber hatte sich ausgebreitet. Aber kaum einer wollte noch ihre Medizin haben. Kathi konnte es ihnen nicht verdenken. Wer so offensichtlich versagt hatte wie sie, konnte nicht auf Vertrauen hoffen. Vielleicht war es besser, den Keller zu verlassen.
«Es war ein Fehler, hierherzukommen.»
Volkhardt setzte sich neben sie. «Wieso sagst du das?»
«Sieh doch, wie sie mich verachten.»
«Niemand verachtet dich.»
Otto pflichtete ihm bei. «Sie haben nur Angst.»
Dem konnte sie zustimmen. «Angst, ja, vor mir, der Hexe, die sie töten will.»
«Du irrst dich.» Volkhardt legte den Arm um sie. «Es ist die Trauer um ihre Freunde. Gib ihnen Zeit, und du wirst sehen …»
Aus der dunklen Tiefe des Kellers drang ein Geräusch. Es waren hastige Schritte.
Er stand auf, die Hand am Messer. «Wer ist da?!»
Es war der kleine Adam. Mit letzter Kraft schleppte er sich zur Feuerstelle und ging auf die Knie.
«Wir müssen … verschwinden.»
Die anderen Kinder kamen herbei, umringten ihn.
«Was ist passiert?»
Volkhardt richtete ihn auf. Er spürte etwas Kaltes, Feuchtes zwischen den Fingern. Blut.
«Bist du verletzt?»
Adam rang nach Luft. «Alle … tot.»
«Wer ist tot?»
«Kinder … erschlagen.»
«Wer hat das getan?»
«Die Knechte … kennen kein Erbarmen.»
«Warum tun sie das?»
«Sie suchen …»
Er drohte vor Schwäche zusammenzubrechen. Otto hielt ihn fest.
«Was suchen sie? Sag mir, was?»
«Teufelskind.»
Das Wort traf Kathi wie ein Donnerschlag. Sie erhob sich und drückte Michael an die Brust, als wollte sie ihn gegen einen Angriff schützen. Für einen Moment sah sie Volkhardts besorgten Blick.
«Sie durchsuchen alle Keller», sprach Adam weiter, «nach dem Apothekerlehrling … nach Kathi.»
Jetzt war es raus. Der Apothekerlehrling und ihr Kind . Alle Blicke richteten sich auf Kathi.
«Du bist das?»
«Wie können sie von Kathi wissen?», fragte Otto.
Adam antwortete nicht darauf. «Wir müssen fliehen. Sie kommen.»
Er sollte recht behalten, es war höchste Zeit. Durch den Radau, den die eindringenden Knechte machten, flüchteten die aufgeschreckten Ratten geradewegs durch die Beine der Kinder auf den nächstmöglichen Ausgang zu – einen Luftschacht, der an der Hinterseite des Kellers nach oben führte.
Jetzt gab es keine Sekunde mehr zu verlieren.
«Lasst alles liegen», rief Volkhardt den Kindern zu, «lauft um euer Leben.»
Gut die Hälfte folgte seinem Aufruf, der Rest war zu schwach und blieb liegen. Sie konnten nur noch auf Gnade hoffen. Volkhardt und Otto zogen ihre Messer. Sie scharten alle Kampfbereiten um sich.
«Wir müssen die Knechte aufhalten.»
«Aber wie?», fragte einer.
Volkhardt schaute sich um. «Die leeren Fässer. Wir versperren damit die Treppe.»
Zu spät. Die ersten Knechte kamen bereits mit Fackeln und gezückten Schwertern die Stufen herunter.
Kathi stand wie erstarrt da.
«Los, geh endlich!», befahl ihr Volkhardt.
Doch sie machte keine Anstalten.
Da nahm sie Otto am Arm und zog sie zum Luftschacht.
«Kletter hoch. Ich reich dir Michael nach.»
«Und du?»
«Ich … komme nach.»
«Aber …»
«Geh jetzt. Sofort!»
Er half ihr hoch, gab ihr Michael in die Hände und wartete, bis sie verschwunden war.
Dann drehte er sich um. Im Dunkel ließ sich nicht viel erkennen, nur so viel, dass die Knechte keinen Unterschied zwischen Leben und Tod machten. Und Volkhardt war mittendrin.
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24
Außer Atem erreichte Kathi die Reuererkirche am Sandertor. Sie öffnete die Tür, blickte hinein, und als sie niemanden sah, schlich sie sich zu einem Beichtstuhl. Hier drin war es dunkel und ruhig. Sie konnte ungestört ausruhen, bevor sie darüber nachdachte, was als Nächstes zu tun war.
Dem kleinen Michael hatte die überstürzte Flucht aus dem Keller nicht gutgetan. Er wand sich in ihren Armen und röchelte nach Luft. Noch immer war seine Stirn heiß, und wenn sie ihm nicht bald einen Kräutertee kochte, würde das Fieber weiter steigen. Hätte sie doch nur ihre Kräuter aus dem Keller mitgenommen.
Sie musste in
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