Die Kinder Paxias
machtvolle Bedrohung der gesamten Kulturen Paxias zu werden versprach? Eine schleichende Katastrophe apokalyptischer Vorgänge?
Welch ein Dämon dieses Ausmaßes an Macht, konnte von solch böser Besessenheit zerfressen werden, ein irrsinniges Vorhaben wie dieses anzustreben?
Die tödliche Erkrankung einer pulsierenden Welt durch eine systematische Entziehung der Kräfte der Naturgewalten.
Was sollte er sich davon versprechen? Eine Zerstörung Paxias diente niemals der Machtgewinnung.
Durfte diese Idee in ihrem Kopf Manifestation für weitere Forschungen finden, oder sollte sie als Auswuchs des Wahnsinns, verursacht durch ihren Sturz in diese Welt, Vergessenheit finden?
„Was die Lebensweise anderer Sagenwesen angeht, kann ich dir nicht viel mehr erzählen, als in den Überlieferungen steht, da ich bisher nicht die Ehre hatte vielen Wesen verschiedener Völker zu begegnen und näher kennenzulernen, um mir über ihre Realität ein eigenes Bild zu machen. Aber wir besitzen hier ein einmaliges Werk, das über die Interpretation und Fantasie der Sagen Paxias hinausgeht. Meine Familie hat vor langen Generationen begonnen, es zu schaffen. Es ist eine Art Lexikon, begründet auf sachlichen Zusammenfassungen der Eigenheiten verschiedener Völker, die einzig durch Primärquellen und damit unwiderlegbarer Beweise entstanden sind. Ich selbst habe erst vor zehn Jahren meinen Vater abgelöst und noch keine nennenswerten Eintragungen machen können.“
Diese interessante Mitteilung riss Saya aus ihrer sinnenden Versunkenheit und brachte sie schlagartig in die Gegenwart zurück.
Ein Werk, das in ihrer Welt nicht existierte. Kein Märchenbuch, keine Erzählung – sondern reine Tatsachen, blanke Wahrheit, niedergeschrieben von Zeugen objektiver Sicht.
Welche Werte begegneten ihr in diesem seltsamen Reich, wo scheinbar dem Forschergeist statt dem des Kampfes die Herrschaft gehörte?
„Wird es mir erlaubt sein, Einsicht in dieses Dokument zu erhalten?“
„Meine Worte waren ein Angebot. Das Buch liegt nebenan in meinem Arbeitszimmer, zusammen mit den allgemeinen Sagen. Ich hole es dir gern, nachdem wir hier fertig sind.“
Ein Grund mehr für Saya, ihre Arbeit voranzutreiben – zumindest, wie es die Sorgfalt erlaubte.
Es war ein sauberer Stich mit dem Dolch gewesen, das verletzte Fleisch wies keinerlei ausgefranste Stellen auf, so dass ihr die Naht zu ihrer inneren Befriedigung mit leichter Hand gelang.
„Schaffst du es dein Hemd selbst auszuziehen? Ich will noch einen Druckverband anlegen“,
demonstrativ nahm sie einen der Stoffstreifen des ehemaligen Lakens auf und deutete ihr Vorhaben an. Iain nickte zustimmend, während er sich bereits von dem zerrissenen Kleidungsstück löste – noch voller Vorsicht und Behutsamkeit den frisch eingerenkten Arm schonend.
„Du hast noch genau eine Frage frei“, erinnerte er sie, den Blick über ihr konzentriert angespanntes Gesicht wandern lassend. Für sie bestand weder die Notwendigkeit aufzusehen noch lange über diese Chance nachzudenken.
„Erzähl mir mehr über dieses Reich. Wie groß ist dieser Ort? Wie viele Wesen leben hier?“
Iain gab einen leisen Laut von sich, der fern an ein Lachen erinnerte.
„Sehr geschickt formuliert. Das ist allgemein genug, um als Herausforderung zum Ausschweifen betrachtet zu werden. Damit versuchst du mich doch zu verlocken, möglichst viel an Interpretation einzubringen und dir mehr an Informationsgehalt in meiner Reaktion zu liefern, als mit einem knapp artikulierten und deutlichen Begehr.“
Dass er ihre Absicht durchschaute, verwunderte sie eigentlich nicht. Sein Kombinationsvermögen hatte er ihr mit seinen diplomatischen Fähigkeiten bereits ausreichend bewiesen. Aber dennoch, diese Tatsache reizte sie auf unerklärliche Art. Es kostete sie nicht wenig an Mühe ihren aufsteigenden Ärger zu unterdrücken, obwohl ihr Gerechtigkeitssinn ihr diesen, in Anbetracht der Situation, normalerweise verboten hätte. Sie konnte auch nicht wirkungsvoll verhindern, dass er in ihrer Stimme einen deutlichen Unterton erzeugte, der ihre Empfindungen verriet.
„Mich interessiert nur, ob du antwortest oder nicht.“
„Ich halte mein Wort!“, lenkte er mit fester Stimme ein und fesselte ihre Augen in einem eindringlichen Blick. Wie unter einem Bann, kam Saya nicht gegen ihr Nicken der Akzeptanz an. Und in den noch sehr blassen Zügen des Mannes erschien ein entwaffnendes Lächeln, ein vorübergehendes Friedensangebot, welches sie vorerst
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