Die Kinder Paxias
von Iain erbeuteten Dolch wie immer unter der Decke in Griffbereitschaft, nickte Saya mehr erstaunt als aggressiv, und die zart anmutende Gestalt rückte vollends ins Sichtfeld. In der einen Hand ein sorgfältig gefaltetes Bündel Stoff, mit der anderen die Tür schließend, wurde sie einer ebenso schnellen wie gründlichen Abschätzung unterzogen.
Sayas vergangene Erfahrungen im Einstufen möglicher Gegner, brachte diese zu einem abrupten Abschluss.
Ihre Haltung entspannte sich, während sie der neuen Begegnung entgegensah.
Sie wusste genau, wen sie vor sich hatte.
Aber in Erinnerung der Angst, der Verachtung und des Ekels, die ihr in den Mienen von Einheimischen entgegengebracht worden waren seit ihrer Ankunft auf Paxia, hatte sie nicht das fröhliche, unbeschwerte Auflachen erwartet, welches die, nun durch ihren Besuch erfolgende, Musterung begleitete.
„Verzeiht mir meine Belustigung, Gelehrte Saya, aber mir ist gerade wieder einmal der Beweis erbracht worden, wie gut ich Colia und Iain einzuschätzen weiß.
Über so etwas Profanes, wie einen Gast mit Kleidung zu versorgen, denken sie natürlich nicht nach.
Ich bin sicher, Ihr wollt dem Herrscher nicht liegend begegnen, sondern ihm so weit es geht entgegentreten. Ich hoffe, ich kann damit wirkungsvoll Abhilfe schaffen und Euch unterstützend zur Seite stehen.“
Sayas, durch das Lachen sofort erwachte Misstrauen verschwand bedingungslos im Nichts, während verschiedene Erkenntnisse ihren Verstand erhellten.
Ihr Gegenüber mit einem wissenden Blick bedenkend, nahm sie das Stoffbündel entgegen. In ihrer Stimme schwang keinerlei Aggression.
„Und ich bin sicher, Euer Gemahl hat nicht den Hauch einer Ahnung, wo Ihr Euch im Augenblick aufhaltet, Herrscherin Lianna.“
Lianna unterdrückte ein entsetztes Glucksen.
„Was verrät Euch meine Identität?“, rief sie stattdessen eindeutig amüsiert aus.
„Iain sprach von einer baldigen Niederkunft. Wenn meine anatomischen Kenntnisse mich nicht allzu sehr im Stich lassen, bin ich geneigt ihm recht zu geben.“
Saya fokussierte vielsagend den gewölbten Leib der jungen Frau. Eine leichte Ironie malte sich in ihren Zügen, dass Lianna errötend, aber mit vergnügt spielenden Wolken in ihren hellen Augen an Sayas Seite trat – abwartend.
Diese verstand die stumme Aufforderung und entfaltete die gebotenen Kleidungsstücke zur näheren Begutachtung. Ein Ausdruck, der Anerkennung beinahe ähnlich zu nennen war, huschte wie ein Hauch über ihre Züge. Liannas Feinsinn offenbarte sich bei ihrer Farbauswahl. Sie hatte sich auf Unwetterfarben beschränkt, statt Saya diese ungewohnten, lichtblauen Töne zuzumuten. Sie schmerzten in ihren Düsternis gewohnten Augen.
Entschlossen streifte sie Iains Hemd ab.
Das Mieder war eindeutig zu eng, Saya ließ die oberen beiden Ösen ungeschnürt. Zweifellos waren Frauen vom Volk der Sternwächter von vollerer Statur. Die dunkelgraue Bluse dagegen, saß wie angegossen, mit schmal geschnittenen Manschettenärmeln, die ihr nicht annähernd so lästig fielen, wie die des viel zu großen Hemdes.
Saya zögerte.
Für die restlichen Kleidungsstücke würde sie ihr Lager verlassen müssen. Lianna streckte ihr bereits hilfreich ihre zierliche Hand entgegen.
„Lasst mich Euch stützen, Gelehrte Saya.“
Nur einen kurzen Moment betrachtete die stolze Wächterin das winzige Persönchen in Form der jungen Herrscherin, die selbst vor ihr stehend, während sie im Bett saß, nicht ihre Augenhöhe erreichte. In ihren Mundwinkeln zuckte es.
„Ich denke, Herrscherin Lianna, es ist besser Ihr lasst Euch auf diesem bequemen Sessel nieder.
Wenn ich mich nicht sehr irre, bleibt mir nur wenig Zeit, um Eure achtenswerte Freigiebigkeit ausnutzen zu können.“
Verwundert, aber ohne Gegenwehr folgte Lianna dem fast freundlich ausgesprochenen, wenn auch indirekten Befehl. Diese Anweisung erinnerte sie stark an die liebevoll besorgte Bevormundung, die ihr gegenüber nicht nur ihr Mann, sondern auch Iain und Colia gelegentlich an den Tag legten.
Doch war Lianna ein Charakter, der sich gern über sich selbst lustig machte. Und so lächelte sie innerlich über den Gedanken, dass ihr Auftreten selbst ein Wesen einer unbekannten Spezies aus einer fremden Welt, zu einem für sie alltäglichen Verhaltensmuster brachte.
Ihr Augenmerk nun auf den Inhalt Sayas Aussage richtend, entschloss sie sich zum Nachhaken.
„Ich verstehe nicht recht, warum bleibt Euch nur wenig Zeit? Niemand drängt
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