Die Kinder Paxias
einen sehr kleinen Schritt.
„Meine Existenz ist die ewige Garantie für das Überleben meiner Blutlinie.“
Es war wie ein magischer Bann, der Saya zwang ihren Blick auf ihren Händen ruhen zu lassen. Vor ihren Augen formte sich das Bild einer klaffenden Wunde. Die rote Masse sprudelte schäumend aus der endlichen Quelle. Sie spürte noch immer die heiße, klebrige Flüssigkeit auf ihrer Haut, eine Erinnerung an ihr letztes kämpferisches Zusammentreffen mit Iain.
Alles Leben ruhte in dem ewigen Kreislauf dieses Liquids.
Konnte es etwas Existenzielleres geben, als diese schlichte Wahrheit?
Und doch maß man an diesem seltsamen Ort, dem Blut eine weitere, den Lebensweg beeinflussende Bedeutung zu.
„Rangfolge definiert durch eine Blutlinie. Eine schwere extra Verantwortung lastet auf dem vitalsten aller Säfte.“
Nichts hatte ihrer Absicht ferner gelegen, als ihm Zugang zu ihrer Gedankenwelt zu gewähren und doch schien es, als wäre ihr abschließendes Urteil in Worte geformt worden. Sie erkannte es an seiner Reaktion, die über ein quittierendes Neigen seines Kopfes hinausging.
„So ist es Gesetz, Saya.
Besteht denn wirklich so ein gewaltiger Unterschied zwischen meinem Blut und dem deinen?
Nimmt es bei deinem Volk keinen gehobenen Rang ein?“
„Oh doch. Aber wir interpretieren weder unsichtbare Linien noch definieren wir personenabhängige Wertigkeiten in einen Adernetz-Fluss. Wir achten es allein seiner vielfältigen Funktionen wegen.“
Vielfältige Funktionen?
Iains Gedächtnisförsterei brachte ihn zu keinem nennenswerten Ergebnis.
Was, über seinen komplexen lebensspendenden Kreislauf hinaus, prägte die Eigenschaften von Blut stark genug, um als Funktion bezeichnet zu werden?
Funktion bedeutete Anwendung, und die Anwendung von Blut außerhalb der verzweigten Gefäße, lag fern der Vorstellungskraft des weitgereisten Diplomaten.
Saya ersparte ihm die Frage, die er nicht zu formulieren gewusst hätte.
Ein leises Klirren begleitete den Aufschlag des Gegenstandes direkt vor Iains Ellbogen.
Es war ihr silberner Halsreif, dessen reiner Glanz ihm ihre erste Begegnung ermöglicht hatte. Interessiert nahm er ihn auf – nur wenig überrascht von dessen eisiger Kälte. Und sehr neugierig, welche Information seine Kenntnisse erhellen sollte.
„Unser Blut ist nicht von einer Art.“
Eine leise Ahnung schlich sich in seinen Sinn – nur ein flüchtiges Begreifen, zu unglaublich, um als Erkenntnis dauerhafte Manifestation zu finden.
Es brauchte mehr.
Worte, die über Sayas interpretierbare Geste hinausreichten.
Und sie war klug genug, die spiegelnde Fassungslosigkeit seiner ausdrucksstarken Augen, ihren Zwecken entsprechend zu nähren.
„Die Essenz unserer Stärke. Brodelnd in Leidenschaft und unbeugsam im Kampf.
Unersetzlicher Rohstoff von einzigartiger Härte.“
Iain konnte nicht anders, er musste sich seines Verständnisses ihrer rätselschweren Ausdrucksweise vergewissern.
„Eure Waffen, sie...“
„...werden aus erstarrtem Blut geschmiedet.“
Präzise, nicht mehr missdeutbar und von ungewöhnlich kühler Sachlichkeit, haftete Sayas abschließende Bemerkung im Raum.
Eine Selbstverständlichkeit für sie.
Eine neue Welt für ihn.
Ohne Klarheit über seinen Umgang mit diesen Erkenntnissen, die wie ein rasendes Mysterium seinen Verstand umnebelten, irrte sein Blick haltsuchend über die wohlvertrauten Gegenstände seines Schlafzimmers.
In den schimmernden Tiefen von Sayas Augen blitzte es gefährlich wissend auf, als sie merkte, wo genau Iains Streben nach innerer Ruhe unmittelbar abbrach. Ein Umwenden war nicht nötig. Sie spürte die funkelnden Schmuckstücke auf der Kommode neben dem Bett so körperlich, als würden sie ihren Oberarm umringen.
Der Reiz, ihn seiner sonst so nervenaufreibenden Überlegenheit, seiner Beherrschung vollends zu berauben, wuchs mächtig in ihr und trieb sie zu einer Aussage, deren Inhalt mehr von ihr preisgab, als alles was sie zuvor offengelegt hatte.
„Symbole errungener Siege. Mein Blut für meinen Triumph.“
Kapitulation!
Iain fühlte es, wusste es genau. An diesem Tag musste er den Rückzug antreten.
Was er brauchte war Zeit.
Zeit zur Verarbeitung.
Zeit zur Entspannung.
Zeit zu sich selbst zurückzufinden.
Dieser unglaublich anmutende Blick in eine fremde, unvorstellbare Welt überforderte ihn, kostete ihn mehr Vorstellungskraft, als seine Fantasie erlaubte.
Er musste seine Realität wiederfinden, bevor er sich weiter mit Sayas
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