Die Kinder Paxias

Bücherwissen hätte dir Aufschluss geben können.
    Ihr Wächter steht ihrem Kreislauf fremd gegenüber, also lass mich dir etwas über das Wesen dieses Volkes verraten, und du wirst es mir freundlicherweise glauben.
    Deine Spezies scheint von außergewöhnlicher Härte, Zähigkeit und machtvoller physischer Stärke. Nicht so die Paxianer. Sie verfügen weder über besondere Fähigkeiten noch dem Wissen, welches uns Angehörigen der Naturreiche seit Existenzbeginns Paxias überliefernd vermittelt wurde.
    Sie geben sich mit ihrem engen Rahmen begrenzten Wissens zufrieden und leben friedlich ihre Bestimmung, ohne Bestreben ihren Horizont bedeutend zu erweitern.
    Ihr Glaube an die Güte Paxias lenkt ihren Pfad, bis der Kreislauf ihrer körperlichen Existenz endet und ihr Geist zurück zu Paxia kehrt, um von ihr auf die nächste Spirale des Lebens vorbereitet zu werden.
    Ihr Weltbild mit einem Schlag zu zerstören, wäre gleichbedeutend sie mit dem Nichts zu konfrontieren – oder dem Alles.
    Uns galt es eine Panik zu vermeiden – auch wenn dies nur vereinbar mit Unwissen war.“
    Das gewittrige Blitzen seiner Augen verriet tief verwurzeltes Temperament unerwarteten Ausmaßes. Weitaus beeinflusster von dieser eindrucksvollen Erkenntnis, als vom Inhalt seiner Worte, verharrte Saya stumm. Sie nickte ihm lediglich kurz zu, als Symbol ihrer Achtung vor der Kompetenz seines Volkes in einer solch heiklen Entscheidungsfindung.
    Mit einem tiefen Aufatmen sammelte Iain die Scherben seiner Beherrschung auf. Er schloss die Augen, seinen Ausbruch innerlich schockiert zu fassen suchend.
    Nie zuvor war sein absoluter Frieden mit sich selbst so sehr ins Wanken geraten.
    Eindeutig lebte in Sayas fesselnder Aura etwas, welches seine kontrollierte, leidenschaftlich wilde Seite unwiderstehlich herausfordernd berührte.
    Ihr Interesse galt irgendeinem Geschehen hinter seinem Rücken, wie er bemerkte, nachdem er sich hinreichend gefestigt fühlte, seine Augen wieder zu öffnen und sich dem weiteren Verlauf der Begegnung mit Saya auszusetzen.
    Gespannt was sie derart von seiner Gegenwart ablenkte, wandte er sich halb um und geriet unvermutet in peinliche Verlegenheit.
    Er hatte vollkommen den uralten Brauch vergessen, diesen Ort zur Zufluchtsstätte erster körperlicher Annäherung vor der endgültigen Verlockung sexueller Verführung zu machen.
    Bei näherer Betrachtung des Paares, kam er peinigenderweise zu der Einsicht, dass deren Aktivitäten der Begrifflichkeit „erste“ körperliche Annäherung ein höchst fehlgeleitetes Gepräge verliehen.
    Was ihm zuerst nach einem harmlosen Kuss schien, erwies sich als aufreizendes Zungenspiel zweier lustvoll agierender Lippenpaare. Die Hände waren längst unter zahlreichen Lagen linnener Kleidung verschwunden. Iain hegte die geheime Befürchtung, dass der junge Mann tatsächlich mit seinen Liebkosungen in intimste Bereiche vorgedrungen war, wenn er die eindeutig genussvollen Laute des Mädchens richtig interpretierte.
    Diese andauernde Gegenüberstellung präsexueller Zärtlichkeiten, prallte nicht wirkungslos an dem ohnehin aufgewühlten Diplomaten ab.
    Statt einer Entschuldigung für das ungewollte, wenn auch eigentlich zu erwartende Schauspiel, näherte er sich der noch immer abgelenkten Gelehrten, bis sein erhitzter Atem an ihrem Gesicht ihre ungeteilte, wenn auch unwillige Beachtung erregte.
    Saya blickte in Augen dicht vor sich, deren Verdunkelung einen erkennbaren Unterschied zwischen Blau und Schwarz unmöglich machten. Unbehagen beschlich sie – unverständlich, in Anbetracht ihrer harmlos eingestuften Aufenthaltssituation, die keinerlei Merkmale des Auftaktes einer physischen Auseinandersetzung trug.
    Dennoch, die ungewohnte physische Nähe Iains war ihr nicht willkommen. Ihre Hand umfasste in vorausschauender Vorsicht ihren Stab, fest genug, ihn ohne weitere Verzögerung als Waffe einsetzen zu können, wenn es ihr angebracht schien.
    Sonst von außergewöhnlicher Sensibilität was die Einschätzung der Stimmung seines Gegenübers betraf, fühlte sich Iain von seinen Fähigkeiten verlassen, die ihm bei Sayas wachsender Missgunst, den sofortigen Rückzug angetragen hätten.
    In dieser Nacht wagte er einen Schritt zu weit nach vorn.
    „Ich würde gern herausfinden, ob in anderen Bereichen unserer Interaktion mehr Harmonie herrscht, als im Verhaltensmuster unserer Umgangsformen.
    Dies ist ein perfekter Ort dafür, wie mir scheint.“
    Es war Saya unbegreiflich, was Iains Wandlung