Die Kinder Paxias
zeitweilig verriet.
Tröstend war einzig, dass die Schmerzen in ihrem überanstrengten Bein ihre pochende Intensität verloren hatten. Die Zwangserholung war ihrem physischen Zustand sehr förderlich, wie sie sich widerwillig eingestand.
Saya hüllte sich in ihr Cape, nachdem sie sich tastend davon überzeugt hatte, dass es ebenfalls die letzten Spuren von Klammheit verloren hatte und überlegte nun, ob sie sich für die Restdauer des Regens in Cassias Zimmer zurückziehen sollte. Das große Fenster dort bot einen weitaus besseren Ausblick, als die geschlossenen Läden ihres gegenwärtigen Aufenthaltsortes, des Wohnraums.
Da ließ sie ein kaum wahrnehmbares Schleifen und Zischen ruckartig zu ihrem Stab greifen. Die feinen Häarchen ihres Nackens stellten sich warnend auf, ihr Körper spannte sich instinktiv, ungewiss der Quelle.
Leise knarrend öffnete sich die Tür zur Küche, hinter der das Schlafzimmer von Rourk und Jiria lag, und Saya entkrampfte sich augenblicklich. Sie erkannte Cassia, die mit dem goldenen Schein der Laterne in ihrer Hand eine schwache Beleuchtung im Raum erzeugte. Nachdem sie behutsam die Tür hinter sich ins Schloss gezogen hatte, tasteten ihre Blicke suchend die Umgebung ab, bis sie Saya entdeckte, die unverwandt auf dem Stuhl saß, wo Cassia sie bei ihrem Abschied verlassen hatte.
„Solltest du nicht schlafen, Cassia?“, empfing die Gelehrte sie mit gedämpfter, mahnender Stimme. Über das Gesicht des Mädchens glitt ein triumphierendes Lächeln. In ihrer Reaktion imitierte sie den milden Vorwurf, während sie sich ihr mit langsamen Schritten näherte.
„Solltest du als Blinde nicht unwissend sein, wer genau von uns dich aufsucht?“
Sie hatte das Kind unterschätzt.
Diese unbedachte Bemerkung verdiente den abbeißenden Verlust ihrer Zunge. Saya ballte ihre Fäuste unter dem Cape. In ohnmächtiger Wut über ihre Leichtfertigkeit, schloss sie die Augen. Sie war beileibe keine Strategin, aber die unglaubliche Dummheit eines solchen Fehlers hätte sie sich selbst nicht zugetraut. Das war ihr in diesem Moment einfach zu viel. Sie biss die Zähne aufeinander, um den wilden Fluch zu unterdrücken.
Ein grimmiger Laut entfloh ihren Lippen.
„Schscht, sei still. Meine Eltern haben zwar einen gesegnet tiefen Schlaf, aber alles überhören sie dann doch nicht.“
Bei der hastig geflüsterten Bemerkung, öffnete Saya ihre Augen und fand das kleine Mädchen unmittelbar ihr gegenüber mit einem sonnigen Lächeln auf der Tischplatte sitzend.
„Eines steht fest, blind bist du nicht“, begann sie, ihre Hand Richtung Sayas Gesicht bewegend.
„Und auch wenn du paxianischer Abstammung scheinst – eine Paxianerin bist du ebenfalls nicht, Saya aus dem Reich der...?“
Bevor die Gelehrte, aus ihrer fassungslosen Starre herausgerissen, warnend einschreiten konnte, griff Cassia nach dem feinen Stoff der Binde und entfernte sie.
Fasziniert aufgerissene, blattgrüne Augen starrten in schimmernde Tiefen der Unendlichkeit. Saya wappnete sich ergeben vor dem anstehenden Panikausbruch – welches Format er auch immer annehmen sollte.
Doch ihre Erwartungen blieben unerfüllt.
„Ich verstehe deine Verhüllung“, murmelte Cassia lediglich und neigte ihren Kopf ein wenig, um ihren Wissensdurst zu stillen, wie sich der Eindruck dieser für sie faszinierend seltsamen Augensterne bei wechselnder Perspektive veränderte.
Beeindruckt von dem Mut und der Offenheit, mit der das Kind ihr begegnete, entschloss sie sich, in Ergebung der selbstverschuldeten Situation, Cassias unvollendeten, als Frage formulierten Satz zu beenden.
„Sternwächter.“
„Sternwächter?“, das Mädchen runzelte die Stirn, „Ich glaube nicht, dass ich von dem Reich schon gehört habe.“
„Schwerlich, mein Volk findet man nicht auf dieser Welt. Wir existieren zum Schutz der Sterne und leben in einem kristallinen Reich unter ihnen.“
„Wirklich?“, Cassia zeigte sich erstmals beeindruckt, empfand dennoch keine Hinderung nachzuhaken.
„Was machst du dann hier? Bist du hinuntergefallen?“
„So ähnlich“, kommentierte Saya das, trotz aller wachen Intelligenz, naive Weltbild des Kindes mit einem Anflug von schwarzem Humor. Damit endete aber auch ihre Bereitschaft, Informationen über sich preiszugeben. Sie nutzte den abwartend schweigenden Moment ihres Gegenübers, um von ihrer Person abzulenken.
„Erzähl mir deine Geschichte. Meines Wissens solltest du keine Ahnung von der Wahrheit existierender Sagenwesen haben
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