Die Kinder vom Teufelsmoor
ab und stellte das Fahrrad an einen Straßenbaum. Er schaute sich um, ob ihn auch niemand beachtete, und ging dann ein Stück den Kiesweg entlang, um möglichst viel von dem Haus und der ganzen Anlage zu sehen.
Im Vorgarten blühten in einem herzförmigen Beet Hunderte von Rosen in allen Farben. Der Rasen war kurzgeschnitten und so eben wie ein Tisch. Gelb, weiß, rot und violett blühende Rhododendren und Azaleen, die an der Straßenfront und den beiden Seiten des Grundstückes wuchsen, verströmten einen betäubend süßen Duft und schützten die Bewohner des Hauses vor neugierigen Blicken. Da niemand im Garten war, ging Bodo weiter. Er wollte auch wissen, wie es hinter einem solchen Haus aussah, damit er seines später ebenso bauen konnte. Vorsichtig ging er um die Garage herum und lugte um die Ecke. Er sah einen Swimming-Pool mit Sprungbrett, eine große Terrasse, die mit bunten Mosaiken ausgelegt war und durch eine rotweißgestreifte Marquise beschattet wurde, und neben dem Schwimmbecken zwei Hollywood-Schaukeln, die im rechten Winkel zueinander standen. Der Rasen, auch hier sehr gepflegt, erstreckte sich fast hundert Meter weit nach hinten. Bodo staunte und nahm alles in sich auf.
Schon wollte er sich wieder davonschleichen, da bemerkte er, daß in einer der Schaukeln jemand schlief. Es war der Junge, der sich von einem Erwachsenen seine Geige hatte nachtragen lassen. Bodo nickte grimmig und wandte sich ab.
Noch ein paar Jahre, dachte er, dann penne ich auch in so einer Schaukel.
Fünfzehn Minuten später stand er vor ihrer Moorkate. Er nahm das Brot vom Gepäckträger, säbelte sich eine dicke Scheibe ab, öffnete eine der Wurstdosen mit dem Taschenmesser und grub die Wurst heraus. Bevor er jedoch den ersten Biß getan hatte, kamen Rolf und Berti auf die Diele.
»Mensch«, schrie Rolf, »friß nur nicht alles allein, du, wir haben auch Hunger!« Er riß Bodo das Brot aus der Hand und schnitt sich ebenfalls eine Scheibe herunter. »Haste noch mehr?« fragte er schmatzend.
»Nee«, antwortete Bodo, »nur noch 'ne zweite Dose Wurst. Brot läßt sich schlecht klauen, das kannste ja nicht verstecken.« »Hast du die Wurst etwa geklaut?« »Na, was denn sonst! Dafür war mir das Geld zu schade.« »Du bist ein ganz blöder Ochse!« rief Rolf. »Wenn sie dich dabei erwischt hätten, wärst du in ein Heim gekommen und wir gleich mit!«
»Mich erwischt schon keiner«, wehrte Bodo ab, »ich paß auf.« »Dennoch«, sagte Rolf, »es ist zu gefährlich. Wer weiß, wie lange wir hier noch hausen müssen! Auf keinen Fall wollen wir in ein Fürsorgeheim, nur weil du was geklaut hast.«
Er reichte Berti das Messer, damit der sich auch was zu essen machen konnte.
Als alle zwei Stullen gegessen hatten, unterbrach Rolf das Gelage. »Halt!« sagte er. »Der Rest bleibt für die andern, die müssen auch einen Mordskohldampf haben.« Er rülpste und stand auf.
»Wo haste denn den Eimer und die Wäscheleine?« fragte er. »Ach, du Scheiße!« rief Bodo. »Die habe ich vergessen!« »Vergessen?« wiederholte Rolf. »Sag mal, bist du noch zu retten? Deshalb bist du doch überhaupt losgefahren!« Bodo hob die Schultern.
»Ich hab' unterwegs soviel gesehen und erlebt, da hab' ich mich gar nicht mehr an Renas dämliche Katze erinnern können. Ist sie schon abgesoffen?«
»Ja!« zischte Rolf böse. »Sie ist abgesoffen, und jetzt ist das ganze Wasser vergiftet, und wir können nichts mehr trinken!« »Och«, sagte Bodo, »da ist bestimmt noch irgendwo so 'n Brunnen, wo wir Wasser holen können. Katzenbadewasser schmeckt sowieso nicht.«
In diesem Augenblick kam Ingelore mit den Kleinen zurück. Rena trug ihre Katze auf dem Arm und streichelte sie zärtlich. Walter und Birgit stapften vorsichtig neben ihr her und hielten mit beiden Händen ihre Hosentaschen zu, in denen sich kostbare Dinge befinden mußten. Ingelore schien ebenfalls Wertvolles zu tragen, allerdings nicht in ihren Hosentaschen, sondern in ihrem Pullover, den sie am unteren Rand angefaßt und wie einen Sack gefüllt hatte. Willy saß auf ihrer Schulter.
»Die Katze ist ja gar nicht abgesoffen!« rief Bodo, als er sie auf Renas Arm entdeckte. »Was quatscht ihr Knallköppe denn!« »Ratet mal, was wir mitgebracht haben«, schrie Walter schon von der Tür. »Kartoffeln! Ganz viele! Die braten wir auf Feuer! Muschi hat sie gefunden.«
Sie schütteten die Kartoffeln auf den Boden und setzten sich daneben. Rena sah als erste das halbe Brot, das da im Handwagen lag,
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