Die Kinder vom Teufelsmoor
Bratkartoffeln machen wollen, brauchen wir doch gar kein Wasser!« sagte Rena. »Mama macht das immer nur mit Margarine!«
»Natürlich brauchen wir Wasser!« sagte Ingelore. »Bevor wir die Kartoffeln braten, müssen wir sie nämlich kochen. Das heißt«, fuhr sie nachdenklich fort, »wir könnten sie auch so braten. Und weißt du, wie? Wir legen sie einfach mit der Schale in die heiße Asche. Dabei sparen wir uns auch noch die Arbeit mit dem Schälen.« Als Rolf mit Berti und den andern Kindern zurückkam und jeder seine Torfsoden auf der Diele ablegte, roch es schon verlockend nach Schmorkartoffeln.
»Hm«, rief Walter, »was riecht hier denn so gut?« »Na, was wohl?« sagte Ingelore. »Die Kartoffeln natürlich! Komm, kannst schon mal eine probieren. Aber vorsichtig, sie sind sehr heiß!« Sie nahm eine Gabel, spießte eine Kartoffel auf und entfernte mit dem Messer die pechschwarzgebrannte Kruste. Das Innere der Kartoffel leuchtete gelb und dampfte. Walter kostete mit spitzer Zunge.
»Hm«, zischte er, »die schmeckt aber gut! Hast du noch eine?« Bald saßen alle auf den Torfsoden rund um den primitiven Tisch und futterten.
»Ihr müßt euch Salz drüberstreuen«, sagte Rolf, »dann schmecken sie noch besser.«
Das Rösten der Kartoffeln, das Herausfischen aus der heißen Asche und das anschließende Schälen nahmen sie so in Anspruch, daß sie darüber ihren Bruder Bodo vergaßen und ihm nichts übrigließen. Erst als sie sich nach der reichlichen Mahlzeit vor dem Haus ins Gras legten, um zu verdauen, erinnerten sie sich seiner. »Mensch, was soll Bodo denn essen?« rief Berti plötzlich. »Die Kartoffeln sind alle!«
»Och, um den mach dir man keine Sorgen«, sagte Rolf, »der verhungert schon nicht. Ihm ist es auch einerlei, ob wir was zwischen den Zähnen haben.«
Bodo war längst auf dem Heimweg.
Am Lenker seines Fahrrades baumelte ein gelber Plastikeimer, in dem sich eine Wäscheleine, ein Brot, eine Tüte Milch und ein Pfund Leberwurst befanden. Von den vier Mohnbrötchen, die er sich in Gnarrenburg gekauft hatte, klebten noch Krümel an seinen Mundwinkeln. Wieder wollte er vor dem Haus der feinen Leute Station machen und einen Blick in den Garten werfen, wie er es auch auf dem Hinweg getan hatte. Das Leben dieser Menschen interessierte ihn sehr. Er wollte soviel wie möglich darüber erfahren. Diesmal hatte er mehr Glück. War vorhin niemand im Garten gewesen, so hörte er jetzt schon laute Stimmen, als er sich, unter den Rhododendronbüschen kriechend, am Haus vorbei nach hinten bewegte. Diese Seite mit den vielen hohen Büschen und Sträuchern bot ihm bessere Deckung als die andere, wo er neben der Garage leicht gesehen werden konnte. Außerdem war er hier der Terrasse und den beiden Hollywoodschaukeln näher.
Auf der Terrasse stand ein gedeckter Kaffeetisch. Bodo sah eine glänzende Kanne, schöne Tassen und Teller und eine Menge Gebäck. Davor saßen drei Personen, eine füllige strohblonde Dame in einem buntgeblümten Kleid, ein jüngerer Mann in weißen Hosen und weißem Rollkragenpulli, und der Junge, der seine Geige nicht hatte tragen wollen. Sie knabberten Kekse, nippten an den Kaffeetassen und sprachen miteinander. Aber von dem, was sie sich erzählten, konnte Bodo kein Wort verstehen, denn sie bedienten sich einer Sprache, die er noch nie im Leben gehört hatte. Das sind ja wohl Ausländer, dachte Bodo. Aber als noch eine Dame aus dem Haus kam und sich zu ihnen an den Tisch setzte, sprachen alle deutsch. Nun erfuhr Bodo eine ganze Menge vom Leben der reichen Leute. Am meisten beeindruckte ihn, was er über Carsten-Viktor erfuhr. Der hatte ein Tagesprogramm wie ein Schwerarbeiter, mußte reiten, drei Sprachen lernen, Konzerte besuchen und Tennis spielen. Freizeit hatte er anscheinend überhaupt nicht. Sehr nachdenklich machte Bodo sich schließlich auf den Heimweg.
Seine Geschwister waren draußen, als er bei der Moorkate ankam. Willy hatte eine Handvoll Blumen ausgerupft, bohrte mit einem Stock Löcher in den lockeren Boden und versuchte sie wieder einzupflanzen. Birgit und Walter bauten aus Torfsoden einen hohen Turm, der aber so wackelig geriet, daß er immer wieder umfiel. Rena spielte mit ihrer Katze. Rolf und Ingelore schliefen. Nur Berti war nicht da. Bodo stellte das Rad in die Diele und betrachtete staunend den Tisch und die Hocker aus Torf. Dann nahm er den Plastikeimer vom Lenker und schlenderte damit nach draußen.
»Wacht auf, meine faulen Kinderchen«, rief er seinen
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