Die Kinder vom Teufelsmoor
nach wenigen Minuten hatten sie soviel Schnur gewonnen, daß sie die Rettungsaktion versuchen konnten. Sie banden den Korb mit einem dreifachen Knoten an der Schnur fest und gingen zum Brunnen hinüber.
»Rena, mach Platz!« sagte Rolf zu seiner Schwester, die immer noch am Brunnen stand und mit ihrer Katze redete. »Wir holen sie jetzt raus!«
Berti mußte die Taschenlampe halten und leuchten. Die Katze hockte zusammengekauert auf dem Brett, blinzelte nun in den Lichtschein hinauf und miaute kläglich.
»Hoffentlich kapiert sie, daß sie umsteigen soll«, sagte Rolf, während er den Korb langsam hinabließ. Aber die Katze schrie ganz jämmerlich und krallte sich nur um so fester ans Brett, als der Korb neben ihr ins Wasser gelassen wurde.
»Kletter rein, Muschi!« rief Rena aufgeregt. »Bitte, kletter doch rein!«
Das Tier heulte wie ein kleines Kind und tat nichts dergleichen. Rolf zog den Korb ein wenig aus dem Wasser heraus und ließ ihn im Kreis um die Katze schwingen, er hielt ihn ihr unmittelbar vor den Kopf, setzte ihn auf ihren Rücken: es half alles nichts. Da verlor er die Geduld und ließ den Korb hart neben ihr auf das Brett fallen. Das schwankte und tauchte unter. Dadurch verlor die Katze das Gleichgewicht und fiel ins Wasser. Rena schrie auf.
Rolf aber führte den Korb nun so geschickt, daß die Katze, in dem verzweifelten Bemühen, einen Halt zu finden, gar nicht anders konnte, als ihre Krallen in das grobe Weidengeflecht zu schlagen. Er wartete nicht darauf, bis sie eingestiegen war, sondern zog den Korb so in die Höhe. Die Katze hing außen dran und heulte zum Steinerweichen.
»Halt dich fest, Muschi, halt dich fest!« flehte Rena. Sie war blaß wie eine Kalkwand. Birgit, die neben Berti stand, machte vor Aufregung in die Hose.
Langsam schwebte der Korb höher. Rolf zog vorsichtig und gleichmäßig, ohne den kleinsten Ruck. Endlich konnte er die lebende Last mit einem leichten Schwung auf das sichere Land setzen. Die Kinder jubelten.
Die Katze aber, die in ihrer Nässe sehr mager aussah, rannte, wie von einer Kanone abgeschossen, mit langen Sprüngen auf das Moor hinaus und war in Sekundenschnelle verschwunden.
Bodo und die feinen Leute
Bodo hatte mittlerweile den Moorweg verlassen und radelte auf der Straße dahin. Er fuhr nicht sonderlich schnell und genoß das schöne Wetter und das leichte Fahren. Nach drei Kilometern kam er an einem vornehmen Landhaus vorbei, das inmitten eines sehr gepflegten Gartens lag. Eben hielt ein elegantes Auto vor der Einfahrt. Der Fahrer sprang heraus und öffnete die hintere Tür. Bodos Neugier erwachte. Er fuhr langsamer, um zu sehen, welcher reiche Mann da ausstieg. Zu seiner größten Überraschung kletterte jedoch kein Mann aus dem Wagen, sondern ein Junge, der etwa in seinem Alter sein mochte. Er trug einen Anzug wie ein Erwachsener und ein weißes Hemd mit einem Schlips. Sein Gesicht war blaß, das Haar zwar lang, aber sehr gepflegt. Er ging durch das Tor in der Einfahrt auf das Haus zu.
Bodo sah ihm nach, bis er hinter einem Rhododendronbusch verschwunden war. Dann beobachtete er, wie der Fahrer aus dem Innern des Autos eine Geige herausholte und sie dem Jungen nachtrug. Mensch, dachte Bodo, der hat ein Leben! Wird mit dem Auto nach Hause gebracht und trägt nicht mal seine Geige selbst! Sein Vater ist bestimmt Millionär. Das sieht man ja schon an dem Haus. Soviel Geld und nur ein Kind! Wir sind acht und haben überhaupt kein Geld!
Er stieß sich mit dem Fuß ab und radelte weiter. Auf alle Fälle will ich mal genauso reich werden wie er. Der Junge muß doch ein Leben führen wie ein Graf. Sollte mich gar nicht wundern, wenn er einen Diener hätte, der ihm die Schuhe zubindet und den Hintern abputzt! Und wir armen Schweine müssen alles selber machen, uns hilft keiner. Wir haben einen Vater, der säuft und sich in der ganzen Welt herumtreibt, und eine Mutter, die einfach verschwindet. Dazu noch einen Onkel, der uns im Moor versaufen lassen will! Aber wartet nur, ich komme nach oben! Ich werde eines Tages auch ein Auto haben und so ein Haus wie der reiche Pinkel da!
Er fuhr schneller, weil er bald zurück sein wollte, um sich die Villa noch einmal genau anzusehen.
Im Spar-Geschäft kaufte er ein Brot und ließ zwei Dosen Wurst unauffällig in seiner Hosentasche verschwinden. Was er sonst noch mitbringen sollte, fiel ihm nicht mehr ein. Er klemmte das Brot auf den Gepäckträger und machte sich auf den Heimweg. Vor dem prächtigen Haus stieg er
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