Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kinder vom Teufelsmoor

Die Kinder vom Teufelsmoor

Titel: Die Kinder vom Teufelsmoor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Schrader
Vom Netzwerk:
Kleine zu seinen Geschwistern an der Tür und versuchte den Nächstbesten zu Hilfe zu holen. Er riß Berti an der Unterhose.
    Berti nahm ihn rasch auf den Arm und wies mit dem Finger auf den Mann in der Diele. Nun erst hörte auch Willy die Musik. »Oh«, rief er, »schön!«
    Da wandte der Musiker den Kopf, lächelte den Kindern zu und beendete mit einem fröhlichen Lauf über die Tasten sein Wecklied. »Na, ausgeschlafen?« fragte er. »Wenn ihr Hunger habt, könnt ihr das da essen, was ich euch gemacht habe, wenn nicht, esse ich alles allein.«
    Da keins der Kinder das als Einladung verstand und sich an den Tisch setzte, nahm er seine Tasse in die Hand und trank einen Schluck. »Milch ist auch da«, sagte er, »ich habe sie warm gemacht. Ihr mögt doch Milch? Wenn nicht, müßt ihr sie wieder in den Topf hier gießen, dann habe ich noch was für heute nachmittag.« »Milch!« rief Willy. Und er verlangte, auf den Boden gestellt zu werden. Aber Bodo ließ es nicht zu. Er war mißtrauisch. »Dies hier ist unser Haus!« sagte er. »So?« sagte der Mann.
    »Wir wohnen hier!«
    »Oh, das habe ich nicht gewußt. Ich dachte, das Haus sei leer, und darum bin ich heute nacht, als es so fürchterlich regnete, reingekommen. Ich störe euch hoffentlich nicht?«
    »Das Haus gehört unserm Onkel in Worpswede«, erklärte Bodo. »Der ist Kunstmaler und möchte nicht, daß Fremde hier wohnen!« »Keine Angst, wohnen möchte ich hier auch nicht«, antwortete der Mann schnell. »Wenn der Regen aufhört, ziehe ich weiter. Ich glaube, er hört bald auf. Aber sagt, wollt ihr eure Milch nicht trinken? Sie wird ja ganz kalt, wenn ihr so lange wartet!« Zögernd kamen die Kinder näher. Die warme Milch in den Tassen und das Wurstbrot auf den Tellern waren eine starke Versuchung. »Wer sind Sie überhaupt?« fragte Rolf, der meinte, daß er als Ältester die Pflicht hätte, klare Verhältnisse zu schaffen. Seine Worte klangen nicht sehr freundlich. Der Mann schien sich jedoch nicht daran zu stören.
    »Ich bin Hannes«, sagte er, »Hannes Finsterling, man nennt mich aber überall nur ›Hannes von der Nacht‹. Ich ziehe durch das Land und mache da, wo die Leute es wünschen, Station, um ihre Maschinen zu reparieren oder ihr Dach zu flicken, vor allen Dingen aber, um ihnen auf meinem Quetschkasten was vorzuspielen, wie ich es eben für euch getan habe.«
    Bodo erinnerte sich plötzlich an das gestohlene Kaninchen und an die Lügen, die er der freundlichen Frau aufgetischt hatte, und hielt es für möglich, daß dieser Musiker hier ihr Mann war, den sie ihnen nachgeschickt hatte, damit er hülfe, die Sturmschäden zu beseitigen. Darum trat er dicht an ihn heran und fragte: »Sie sind doch Tischler, nicht?«
    »Ja, Tischler und Schlosser und Maurer und alles«, antwortete Hannes.
    »Und sie wohnen doch dahinten in dem roten Backsteinhaus mit den vielen Kaninchenställen im Hof?« »Ja, manchmal schon«, war die Antwort. Bodo sah seine Geschwister vielsagend an. »Und suchen Sie nicht einen umgekippten Wohnwagen?« »Nee«, rief Hannes erstaunt. »Was soll ich damit?«
    »Suchen Sie denn vielleicht ein Kaninchen?« fragte Bodo weiter. »Wieso, habt ihr eins gefunden?«
    Ohne darauf zu antworten, fragte Bodo: »Aber Sie sind doch der Mann von der Frau da in dem roten Haus?« Hannes sah Bodo kopfschüttelnd an.
    »Wie kommst du denn darauf?« wunderte er sich. »Nein, ich bin leider nicht ihr Mann. Allerdings«, fuhr er fort, »wollte ich es einmal werden, früher, als ich noch jung war. Die Frau war nämlich sehr hübsch, und sie war ein guter Mensch, so wie sie es heute noch ist! Aber sie hatte Angst vor mir.«
    »Warum?« entfuhr es Berti. »Sind Sie denn gefährlich?« »Das glaub ich nicht«, sagte Hannes von der Nacht. »Sie fürchtete sich auch nicht vor mir, sondern vor meinem Namen. Sie hieß nämlich Engelke, was soviel heißt wie Engelchen. Und wenn sie mich geheiratet hätte, wäre sie auf einmal eine Frau Finsterling gewesen. Davor schreckte sie zurück. Ein Engel, so glaubte sie, gehöre in das helle, lichte Reich des Himmels und nicht in die Finsternis der Erde. Tja, ich weiß nicht, ob sie damit recht hat. Ich meine, es wäre doch sehr schön, wenn zu den Menschen, die immerzu im Dunkel leben, von Zeit zu Zeit ein Engel käme, um ein bißchen Licht zu bringen.« Er sah die Kinder freundlich an.
    Die begriffen allmählich, daß der bärtige Mann mit der Ziehharmonika nicht gekommen war, um sie anzuzeigen oder in ein Heim zu

Weitere Kostenlose Bücher