Die Kinder vom Teufelsmoor
gebildet hatte, kleine Torfschiffe schwimmen und versenkte sie, indem er ihnen einen seiner bloßen Füße auf Deck stellte. »Morgen besorge ich wieder was Vernünftiges zu essen«, sagte Bodo. »Die Kartoffeln hängen mir schon meterweit zum Hals raus!« Er hatte seinen Geschwistern immer noch nichts von den reichen Leuten und Carsten-Viktor erzählt. Was er in ihrer Villa vorhatte, sollten sie erst erfahren, wenn es erfolgreich abgelaufen war. Er fürchtete nämlich, daß Rolf mit seinem Plan nicht einverstanden sein könnte. Morgen wollte er sich schon früh in den Rhododendren hinter dem Haus auf die Lauer legen und einen günstigen Zeitpunkt für einen Einbruch abwarten. Hinterher, wenn alles vorbei war und er seine Beute auf den Tisch legen konnte, würde sich keiner mehr darüber aufregen. Er hoffte nur, daß das Wetter ihm keinen Strich durch die Rechnung machte. Bei einem solchen Regen, wie er jetzt niederprasselte, mochte er nicht unter den Büschen liegen. Aber das Wetter besserte sich nicht.
Darum krochen die Kinder früher als sonst ins Heu, kuschelten sich aneinander und erzählten sich Geschichten. Als keiner mehr etwas wußte, sang Bodo sein Lieblingslied:
»Wie lieben die Stürme, die brausenden Wogen, der eiskalten Winde rauhes Gesicht.«
Aber er unterbrach sich selbst und sagte: »Fällt mir jetzt erst auf, was das für ein doofes Lied ist! Wer das gedichtet hat, muß doch behämmert gewesen sein. Ich kann mir was Schöneres vorstellen als eiskalte Winde, und vom letzten Sturm habe ich immer noch die Schnauze voll.«
»Mensch, ein Lied und ein Gedicht und so was darfste doch nicht für echt nehmen!« sagte Rolf. »Das soll sich nur schön anhören! Im wirklichen Leben ist alles ganz anders. Ich könnte dir tausend Beispiele nennen von solchen Quatschliedern, die alle nicht stimmen.« »Das finde ich aber nicht gut«, sagte Berti. »Warum machen sie denn keine Lieder vom wirklichen Leben?«
»Ist doch klar wie Kloßbrühe, Mensch«, antwortete Rolf. »Weil das wirkliche Leben viel zu beschissen ist. Darüber kannste wohl heulen, aber nicht singen!« Sie schwiegen und schliefen ein.
Da kam noch ein später Gast.
Ein Mann riß die Haustür auf und stieß den Wagen, den er vor sich hergeschoben hatte, auf die Diele. Er schüttelte sich, nahm den Hut vom Kopf und ließ das Wasser auf den Fußboden rinnen. Dann griff er in seinen Mantel und holte eine Taschenlampe heraus. »Hm«, murmelte er. »die Bude wird auch von Jahr zu Jahr baufälliger. Hoffentlich kracht sie mir bei diesem Wind nicht überm Kopf zusammen!«
Da bemerkte er die Wolldecken, die den hinteren Teil der Diele vom vorderen abtrennten. Leise trat er darauf zu und schaute nach, was dahinter war. Im Lichtschein seiner Taschenlampe sah er Asche und verkohlte Holzreste auf dem Herd und roch, daß hier vor wenigen Stunden ein Feuer gebrannt hatte.
Vorsichtig schlüpfte er zwischen zwei Wolldecken hindurch auf den Herdplatz. Sieht aus wie bei Schneewittchen, dachte er, zwei, vier, acht Teller auf dem Tisch! Stimmt genau, Schneewittchen und die sieben Zwerge!
Aus dem Schlafzimmer der Kinder hörte er schwache Geräusche, Atmen, Husten, leises Schnarchen. Lautlos schlich er zur Tür und ließ das Licht seiner Lampe über die Lagerstatt gleiten. »Na, so was!« murmelte er. »Da liegen sie alle! Acht Kinder und eine Katze! Und ein Kaninchen!«
Er sah, wie es von der Zimmerdecke tropfte, genau auf den Arm eines kleinen Mädchens, das bis zur Brust im Heu vergraben war und den Regen nicht spürte.
»Ruhig, mein Kätzchen, ruhig!« flüsterte er, da die Katze ihn mit grünen Augen anfunkelte und leise miaute.
Er wandte sich um und tappte geräuschlos auf die Diele zurück. Dort öffnete er an der Seite seines Wagens, der einer Drehorgel ähnlich, aber fast doppelt so groß war, eine Tür und holte eine Liege heraus. Die klappte er auseinander und löste die Lederriemen, mit denen zwei schwere Wolldecken darauf festgeschnallt waren. Mit einer der Decken ging er vorsichtig in das Zimmer der Kinder hinüber und breitete sie behutsam über die Schlafenden. Darauf entnahm er seinem Wagen Brot, Wurst und Speck sowie einen Klappstuhl, setzte sich und aß schweigend sein Nachtmahl. Nachdem er dann die Lebensmittel wieder fortgeräumt und Schuhe und Jacke ausgezogen hatte, legte er sich auf die schmale Liege und deckte sich zu. Er lauschte auf den Regen, den Wind und die friedlichen Geräusche der Schläfer nebenan. Ich muß morgen früh der
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