Die Kinder von Alpha Centauri
Kein Wunder, daß die Chironer bei dem Spiel auf jeden Einsatz
hatten eingehen und jeden Bluff erwidern können. Sie waren in der Lage, um
jeden Betrag zu spielen und ihre Karten im Notfall vorzuzeigen; ihre Trümpfe
waren nicht zu stechen. Oder war das die Smith and Wesson, von der Tschang bei
Shirley gesprochen hatte, vielleicht gar nicht so sehr im Spaß?
»Wir sind vielleicht nicht die einzigen, denen aufgefallen ist, daß Remus
ein Loch zuviel hat«, meinte Jay. »Ich meine, wir haben genug Wissenschaftler
mitgebracht, und sie können solche Dinge so gut einschätzen wie wir. Die
Chironer halten mit ihrer Physik ja keinesfalls hinter dem Berg.«
»Das hätten sie tun können«, gab Bernard zu. »Aber haben sie es getan?
Das entspricht nicht der Art, wie Sterm handelt.«
»Vielleicht rechnet er sich eine gute Chance aus, mit ihnen
fertigzuwerden«, sagte Jay achselzuckend. »Vielleicht ist er aber auch bloß
verrückt.«
Lechat hatte die Dinge inzwischen verarbeitet und sah die anderen
sorgenvoll an.
»Vielleicht haben die Chironer eine Warnung erteilt, und niemand hat sie
bemerkt. Sie könnten schon angedeutet haben, daß es für sie keine andere Wahl
mehr gibt.«
»Was meinen Sie damit?« fragte Colman.
Lechat blickte unsicher zu Celia hinüber.
»Howard Kalens«, sagte er leise. »Könnte das nicht eine letzte Warnung
gewesen sein? Sehen Sie sich an, welche Wirkung das auf die Armee hat - nur
scheint man das nicht richtig zu beurteilen.« Er sah Jay an. »Ich kann mir
nicht vorstellen, daß sie sich alles genau überlegt haben. Das gibt es einfach
nicht.«
Bernard lehnte sich zurück und atmete tief ein. Er wollte eben etwas
sagen, als Jeeves einen eingehenden Anruf über das chironische Netz
ankündigte. Es war Kath, die aus ihrer Wohnung in Franklin anrief.
»Ich habe von Casey gehört«, sagte sie, als Bernard sich meldete. »Er
hat sein Paket zusammen mit Adam abgeholt. Sie sind damit auf dem Heimweg. Ich
dachte, das wollten Sie wissen.«
Lächelnde Gesichter in der ganzen Runde ließen die angespannte
Atmosphäre zeitweilig vergessen. Jean seufzte erleichtert auf. Bernard blickte
zur Bildwand hinauf.
»Danke«, sagte er. »Wir freuen uns alle. Auf bald.« Kath lächelte und
verschwand vom Bildschirm.
»Veronica hat es geschafft!« rief Jean erfreut. »Steve, ich weiß gar
nicht, wie Sie das alles angestellt haben.«
»Es zahlt sich aus, Freunde zu haben«, knurrte Colman.
»Gratuliere, Steve«, sagte Bernard lächelnd. »Möchte wissen, was die
SD-Bewacher jetzt gerade machen.«
»Ich freue mich«, murmelte Lechat. Jay strahlte und auch Marie zeigte ein
Lächeln.
Nur Celia wirkte seltsam ungerührt. Sie saß da, die Tasse in der Hand,
mit ausdruckslosem Gesicht. Die anderen verstummten und starrten sie unsicher
an. Jean sagte zögernd: »Sie scheinen nicht sehr begeistert zu sein, Celia.
Stimmt etwas nicht?«
Celia schien sie nicht zu hören. Ihre Gedanken waren noch immer bei dem
Gespräch vor Kaths Anruf. Nach einer kurzen Pause des Schweigens sagte sie:
»Das war keine Warnung der Chironer.«
Die anderen tauschten verständnislose Blicke. Jean schüttelte den Kopf
und starrte Celia an.
»Tut mir leid, wir kommen da nicht ganz mit. Warum -«
»Die Chironer haben Howard nicht umgebracht«, sagte Celia. Das war ich.«
Es wurde totenstill, als seien Stahltüren hinuntergesaust. Die knappen
Worte löschten alle Gedanken an die Kuan-yin, an Waffen und Antimaterie aus. Alle Gesichter wendeten sich Celia ungläubig
zu. Sie starrte vor sich hin. Lechat erhob sich von seinem Platz und trat an
den Tisch; nach kurzem Zögern folgten die anderen. Celia begann zu sprechen,
gerade als Lechat etwas sagen wollte. Ihre Stimme klang tonlos und leise, ihre
Augen blickten starr.
»Ich konnte mein Leben nicht mit einem Mann verbringen, der sich von der
Wirklichkeit abgewendet hatte. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie das war. Er
hatte sich eine Phantasiewelt aufgebaut, und ich sollte sie mit ihm teilen und
ihm helfen, sie aufrechtzuerhalten. Es ging nicht.« Sie trank einen Schluck
Kaffee. »So passierte die Sache mit... Sterm ... Howard erfuhr davon ...« Celia
schloß die Augen, als wolle sie eine Erinnerung verdrängen. »Er verlor völlig
die Beherrschung ... es kam zu einem Kampf, und ...« Den Rest ließ sie
unausgesprochen. Nach einigen Sekunden öffnete sie die Augen wieder und
starrte vor sich hin. »Vielleicht wollte ich, daß er dahinterkommt -
vielleicht habe ich ihn bewußt
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