Die Kinder von Alpha Centauri
den Tagesdienstplan für die gesamte Brigade.
»Ist das nur eine Dateikopie oder haben Sie den Hauptplan?« fragte
Lechat.
»Das ist der Hauptplan«, sagte Bernard. »Er hat auch Umschreibbefugnis.
Ich habe eben verfolgt, wie er das ausprobiert hat.«
»Das scheint es zu sein, was wir brauchen, Chef«, sagte Stanislau zu
Sirocco und deutete auf eine der Eintragungen. Sirocco beugte sich vor.
Sie wußten bereits, daß für den Tag umfangreiche Transportbewegungen
vorgesehen waren, in erster Linie für die Beförderung von Artillerie, Munition
und anderer Ausrüstung aus der »Mayflower II« zur besseren Ausstattung des
Stützpunktes, den Sterm ohne Zweifel ganz hatte besetzen wollen. Nun hatte es
den Anschein, als wolle er gegen Franklin vorrücken, vermutlich gedeckt durch
Orbitalwaffen, die vom Schiff aus abgesetzt wurden. Da der Putsch in der
»Mayflower II« erfolgreich abgelaufen war und man das Schiff offenbar für
gesichert hielt, wurden die SD-Einheiten, die dort konzentriert gewesen waren,
nach unten abgezogen, um zu verstärken, was ein befestigter Stützpunkt für
Operationen auf dem Planeten werden sollte; verschiedene reguläre Einheiten
brachte man hinauf, damit sie dort deren Aufgaben übernahmen. Stanislau hatte
einen Befehl für Kompanie C gefunden, die am Abend um 1800 Uhr zur »Mayflower
II« hinauffliegen sollte, genau das, was Sirocco brauchte. Der Captain verließ
sich darauf, daß an einem hektischen Tag niemand die Zeit aufbringen würde,
eine verspätete Befehlsänderung in Zweifel zu ziehen.
»Zeigen Sie mal, wie Sie das ändern«, bat Lechat.
Stanislau gab einige Befehle ein. Alle Hinweise auf Kompanie C wurden
augenblicklich durch solche auf Kompanie D ersetzt. Weil der Computer das
verlangte, hatte nun Kompanie D den Auftrag, am Abend zum Schiff
hinaufzufliegen, während Kompanie C sich diese Nacht ausschlafen durfte.
Stanislau stellte den alten Stand wieder her. Am besten nahm man die Änderung
erst später vor, damit nicht die falschen Leute Zeit fanden, die falschen
Fragen zu stellen.
Lechat nickte und schien zufrieden zu sein.
»Damit kommen wir hinauf«, sagte er. »Und wie gelangen wir ins
Kommunikationszentrum?«
Stanislau gab weitere Befehle ein. Auf dem Schirm erschien eine andere
Informationstabelle.
»SD-Wachdienst und Zeitplan für die Posten heute nacht im Columbia
District«, sagte Stanislau. Hier wollte man erst im letzten Augenblick etwas
abändern.
»In Ordnung?« fragte Sirocco und sah Lechat an.
Lechat nickte.
»Unfaßbar«, murmelte er.
»Gut gemacht, Stanislau«, lobte Sirocco. »Hoffentlich klappt das bei der
Wiederholung später genauso.«
»Sie können sich darauf verlassen, Sir«, erwiderte Stanislau
selbstbewußt.
Sirocco stieg wieder auf das Podium vor die Zeichnungen, auf die er
vorher verwiesen hatte, und sah sich ein paar Sekunden lang um, bis alle auf
ihn achteten.
»Sie werden sich alle darüber freuen, daß unser persönlicher Betrugs-,
Fälschungs- und Entschlüsselungsfachmann es wieder einmal geschafft hat«,
teilte er mit. »Die Phasen Eins und Vier scheinen also, wie besprochen,
machbar.« Stanislau drehte sich mit breitem Grinsen herum und verschränkte die
Hände über dem Kopf, um den gemurmelten Beifall und die leisen Anerkennungspfiffe
zu quittieren, mit Begeisterung, aber so leise dargebracht, daß sie um diese
Tageszeit im Block keine Aufmerksamkeit erregten.
Während es ruhig wurde, ließ Sirocco den Blick über die mehr als sechzig
Gesichter gleiten, bis auf die etwa zehn rundum verteilten Horchposten alles,
was von den fast hundert Mann geblieben war. Er wußte, daß er jeden einzelnen
brauchen würde, und es trotzdem mehr als knapp hergehen würde. Neben seinen
Bedenken, die er nicht zu zeigen versuchte, fühlte er sich innerlich bewegt,
als er auf die Männer blickte, die nach allen normalen Maßstäben zu den ersten
hätten gehören sollen, die der Armee den Rücken kehrten. Abgesehen von den
SD-Einheiten war Kompanie D aber von niemandem übertroffen worden. Das war
eine Bestätigung für ihn selbst, ausgedrückt in der einzigen gemeinsamen
Sprache, die für dieses ihm vom Schicksal anvertraute Gemisch von Sonderlingen
und Unangepaßtem etwas bedeutete. Sirocco hatte sie jedoch nie als Außenseiter
gesehen, sondern als Individualisten, viele auf ihre eigene seltsame und oft
bizarre Weise begabt, und sie so genommen, wie sie waren, genau das, was sie
wollten. Der Ausdruck »Außenseiter« war relativ genug, wie er
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