Die Kinder von Alpha Centauri
Kopf.
»So ziemlich das, was ich erwartet habe. Nichts Persönliches; du bist in
Ordnung; wenn es von ihm abhinge, wären die Dinge anders, aber so sei es eben
nicht - in dieser Tonart. Aber das hat er nur gesagt, um nicht gemein zu
wirken. Das habe ich gespürt. Es reicht tiefer. Ob es von ihm abhängt oder
nicht, ist gar nicht von Bedeutung. Er glaubt wirklich daran. Wie werden
Menschen so?«
Colman schaute sich um und wies mit einer Kopfbewegung auf das Cafe neben
der Bowery-Bar.
»Stehen wir hier nicht die ganze Nacht herum«, murrte er. »Komm mit rein.
Willst du Kaffee?«
»Sicher ... danke.« Sie gingen auf die Tür zu. »Und danke für die
Schieber«, sagte Jay. »Sie haben genau gepaßt.«
»Wie geht es voran?«
»Recht gut. Die Achsmontage ist fertig. Du mußt dir das ansehen.«
»Bestimmt.«
Jay setzte sich in eine leere Nische, während Colman an der Theke zwei
Kaffee holte und seine Militär-Kreditkarte in einen Schlitz steckte. In vieler
Beziehung erinnerte Jay Colman an sich selbst, als er noch jünger gewesen war.
Colman hatte seinen Namen von einem Akademiker-Ehepaar, das ihn adoptiert
hatte, als er elf Jahre alt gewesen war, damit ihr eigener Sohn Don, zwei Jahre
älter, Gesellschaft hatte. Sie wollten in ihren Karrieren keine Unterbrechung
durch ein zweites eigenes Kind. Colmans Stiefvater war Ingenieur für
Thermodynamik, beschäftigt mit Wärmetauschern bei
Magnetohydrodynamik-Systemen. Daher rührte Colmans frühes Interesse für
Technik. Obwohl die Colmans sich alle Mühe gegeben haben, die beiden Jungen
gleich zu behandeln, mißgönnte Colman Don seine Grundausbildung und war eifersüchtig,
als Don aufs College ging, um Technik zu studieren, obwohl er selbst noch zu
jung war, um dasselbe zu tun. Die Auflehnung, die dazu beigetragen hatte, daß
Steve in ein Heim für schwererziehbare Halbwüchsige gesteckt worden war,
tauchte wieder auf und führte dazu, daß er seinen Stiefeltern das Leben
schwermachte, was sein Gewissen belastete. Aus irgendeinem Grund, den Steve
nicht verstand, hatte er das Gefühl, dies alles wiedergutzumachen, wenn er Jay
half, seine Anlagen auszubauen und die ihm gegebenen Möglichkeiten zu nutzen.
Warum, das wußte er nicht, weil nichts, was er jetzt noch tat, irgendeine Bedeutung
für die Colmans haben konnte, die wohl irgendwo alt und ergraut lebten, aber er
glaubte, es ihnen schuldig zu sein. So ging es in manchen Gehirnen zu. Es war
seltsam.
Er stellte die Tassen auf den Tisch und setzte sich Jay gegenüber.
»Schon mal Durst gehabt?« fragte er, während er Zucker in seinen Kaffee
rührte.
Jay sah ihn erstaunt an.
»Na ... sicher. Denke schon. Kennt doch jeder.«
»Wirklich echten Durst... daß die Zunge sich anfühlt wie Stahlwolle und
im Mund anschwillt, daß die Haut rissig wird.«
»Hm ... nein. Wieso?«
»Aber ich. Ich bin einmal in der südafrikanischen Wüste mit ein paar
anderen zusammen fast eine Woche lang abgeschnitten gewesen. Man denkt nur
noch an Wasser. Man kann die Gier nicht einmal beschreiben. Man würde sich für
eine Tasse voll den Arm abschneiden.« Er machte eine Pause. Jay wartete mit
verwirrtem Gesichtsausdruck. »Wenn du genug zu trinken hast«, fuhr Colman
fort, »dann machst du dir Sorgen um die Nahrung. Das dauert länger, wird aber
genauso schlimm. Es hat viele Beispiele gegeben, daß Menschen Tote
angeknabbert haben, um am Leben zu bleiben, sobald sie genug Hunger hatten. Sie
haben einander wegen Kartoffelschalen umgebracht.«
»Ja-a-a-a?«
»Wenn du genug zu essen und zu trinken hast, dann zerbrichst du dir den
Kopf darüber, wie du dich warmhalten kannst. Und wenn dir warm genug ist,
sorgst du dich um deine Sicherheit.« Colman legte kurz die Hände um. »Wenn ein
Haufen Leute zusammenlebt, bekommen die meiste Zeit die meisten Leute genug zu
trinken und zu essen, sie können sich warmhalten und sicher fühlen. Was fällt
ihnen dann ein, meinst du?«
Jay zog die Brauen zusammen und wirkte ein wenig unbehaglich.
»Sex?« fragte er.
Colman grinste.
»Du hast recht, aber eigentlich müßtest du so tun, als wüßtest du nichts
davon. Ich habe an etwas anderes gedacht - an Anerkennung. Das ist auch ein
Teil der menschlichen Natur, der an die Oberfläche kommt, wenn die
Grundbedürfnisse befriedigt sind.
Und wenn das auftritt, ist es genauso mächtig wie das andere. Ein Mann
muß das Gefühl haben, daß er mithalten kann, wenn er sich mit den anderen um
sich herum vergleicht. Er muß anerkannt werden für das, was gut
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