Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kinder von Avalon (German Edition)

Die Kinder von Avalon (German Edition)

Titel: Die Kinder von Avalon (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
Vom Netzwerk:
nachgelassen. Siggi stellte fest, dass er sogar aufrecht stehen konnte. Über ihm hing etwas Großes, Dunkles. Er blickte auf und sah den Rand der kreisenden Stadt, fast zum Greifen nahe, wie ihm schien.
    Hagen und Gunhild kamen über den Basaltweg. Hagen hatte den gleichen Trick benutzt wie er, Hagen nur war anscheinend früher darauf gekommen. Er hatte die Spitze seines Speeres ebenfalls zwischen den Steinen verkeilt und sich damit Halt verschafft. Gunhild hatte die Augen immer noch geschlossen; ihr Gesicht war nass von der Gischt und von den Tränen der Erschöpfung. Aber sie lebte.
    Sie alle lebten. Sie hatten es geschafft. Bis hierher.
    Siggi zog das Schwert aus dem Stein und ging zu ihnen.
    Als er näher trat, schlug Gunhild die Augen auf. »Ich habe sie gesehen«, sagte sie. »Die Schlange.«
    »Ich werde schon mit ihr fertig«, meinte er.
    Sie sah ihn an. »Du wirst es nicht für möglich halten, aber ich glaube dir sogar.«
    Auch Hagen war die Anstrengung und die Erschöpfung vom Gesicht abzulesen. »Wo ist unser alter Freund, der Druide?«, fragte er. »Wir sollten ihn nicht aus den Augen lassen. Auch jetzt nicht.«
    Der Alte war stur und unbeirrt weitergegangen, ohne auch nur einen Blick zurückzuwerfen.
    »Du traust ihm immer noch nicht?«, fragte Gunhild.
    Hagen zuckte die Schultern. »Folgen wir ihm.«
    Sie traten in den Schatten der mächtigen Scheibe, die über ihren Köpfen hing.
    »Hast du so etwas schon mal gesehen?«, wandte sich Gunhild staunend an ihren Bruder.
    »Klar«, sagte Siggi. »ID-4.«
    »Was?«
    »Er meint Independence Day «, klärte Hagen sie auf. »Den Film.«
    Gunhild seufzte. »Das ist etwas, das ich an ihm hasse. Dass er immer noch Witze machen muss, in jeder Situation.«
    Siggi blickte auf. War es nur eine Sinnestäuschung, weil sie sich jetzt direkt unterhalb der riesigen Scheibe befanden, oder hatte er wirklich das Gefühl, der freie Raum über seinem Kopf sei nicht mehr so groß wie zuvor? Er sah noch einmal genauer hin.
    »Das ist kein Witz«, sagte er. »Das Ding kommt runter.«
    »Wohin?« Hagens messerscharfer Verstand arbeitete auf Hochtouren. »Zurück? Keine Chance. Vorwärts?
    Die einzige Möglichkeit.« Er wies mit dem Kopf in Richtung des Alten vor ihnen. »Ich hoffe, er weiß, was er tut.«
    Sie begannen zu laufen. Auch der Alte hatte seinen Schritt beschleunigt.
    »Bist du sicher?«, fragte Siggi im Laufen.
    »Nein«, meinte Hagen. »Aber ich denke, er ist nicht lebensmüde …« Doch in seiner Stimme schwang Zweifel. Die Unterseite der kreisenden Stadt war jetzt deutlich auszumachen. Sie war übersät von Ritzen, die sich zu Mustern zusammenfügten. Sie sahen aus wie Zeichen einer unbekannten, längst vergessenen Schrift: ein gewaltiges Buch, in dem die Chronik der Vergangenheit oder vielleicht auch der Zukunft eingetragen war.
    Vielleicht war es aber auch einfach nur ein Schmuck, den Riesen mit gewaltigen Meißeln hier eingehauen hatten. Doch genauso gut konnte es ein Produkt der Natur sein, Ergebnis irgendeines Prozesses in der Bildung von Gesteinen, die sich von flüssiger zu fester Form nach bestimmten Gesetzmäßigkeiten zusammenballten. Doch um dies zu entscheiden, hätte es Zeit gebraucht. Viel Zeit. Mehr, als sie zur Verfügung hatten.
    Sie rannten jetzt. Ringsum war es still bis auf das Keuchen ihres Atems. Eine befremdliche Stille, da sie das Tosen des Wasserfalls gerade erst hinter sich gelassen hatten. So weit waren sie noch nicht davon entfernt, dass es nicht den Grund erschüttern und die hallende Leere hätte füllen sollen. Doch hier war nichts mehr davon zu hören. Nur ein leises, alles durchdringendes Summen durch den zunehmenden Druck, der auf allem lastete, während die riesige Fläche sich senkte.
    »Bei dem Raumschiff …«, keuchte Siggi.
    »Was für ein Raumschiff?«, fragte seine Schwester.
    »… im Film war auch … der Eingang … in der Mitte.«
    »Wollen wir’s hoffen«, knurrte Hagen.
    Jetzt war die Decke schon so nahe, dass man sie mit ausgestreckten Händen hätte greifen können. Licht kam von allen Seiten, fing sich in der Klinge des Schwertes, der Spitze des Speers und in dem Stein, der um Gunhilds Hals hing. Licht kam auch von voraus, ein fahles geisterhaftes Licht, eher eine Abwesenheit von Finsternis. In diesem Unlicht sahen sie die Treppe.
    Sie wuchs aus dem Plateau empor, über das sie liefen, aber sie schien zugleich auch aus der gewaltigen Masse hervorzugehen, die sich auf sie herabsenkte. Der Alte hatte den Fuß der

Weitere Kostenlose Bücher