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Die Kinder von Avalon (German Edition)

Die Kinder von Avalon (German Edition)

Titel: Die Kinder von Avalon (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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Treppe bereits erreicht, als sie endlich zu ihm aufschlossen, und setzte gerade seinen Fuß auf die unterste Stufe.
    »Dort hinauf?«
    Er wandte sich um. Er war ihnen immer schon als alter Mann erschienen, doch in einer gewissen Weise auch alterslos, unbestimmbar, wie es bei manchen Leuten jenseits der Lebensmitte der Fall ist. Jetzt, in der kurzen Zeit, die sie gebraucht hatten, um von der Halle Mâths hierher zu gelangen, schien er um Jahre gealtert zu sein: das Gesicht faltig, die Wangen eingefallen, der Mund welk. Er sagte nichts. Er nickte nur.
    So stiegen sie hinauf, während sich ringsum die Stadt weiter herabsenkte. Es war ein unheimliches Gefühl, allein schon wegen der Größe und Masse dieses Gebildes. Es war, als senkten sie sich selbst auf eine weite Ebene, nur dass diese sich über ihnen befand. Doch unmittelbar über ihnen war ein leerer dunkler Schacht, in den sie kopfüber eintauchten. In einem Augenblick hatten sie noch die Unterseite der Plattform im Blick, mit ihren merkwürdigen Ritzungen, die sich nach allen Seiten erstreckten. Dann waren sie in einem engen dunklen Schacht, deren Wände an ihnen vorüberglitten, so als befänden sie sich auf einer Rolltreppe, nur dass die Treppe sich nicht bewegte, sondern das Gebäude.
    »Achtung, festhalten!«, rief Hagen.
    Es gab nichts, was sie darauf hätte vorbereiten können. Ein Berg senkt sich auf die Ebene. Es war wie ein gewaltiger Mühlstein, nur tausendmal größer, zehntausendmal schwerer. Ein Mahlen. Ein Knirschen. Ein dumpfer Schlag, der nicht mit einem Mal kam, sondern langsam, bedächtig, nicht enden wollend. Ein Riese legt sich zum Sterben nieder. Ein Weltalter geht zu Ende.
    Ein Luftschwall kam von unten heraufgeschossen und riss sie von den Beinen. Wild polterten sie durcheinander.
    »Vorsicht!«
    Dann war Stille. Nur das ferne Dröhnen des großen Wasserfalls war zu verspüren, das durch den Fels drang.
    »Die Zeit hat Caer Siddi eingeholt«, kam die Stimme des Alten aus der Düsternis, ganz sachlich, nüchtern, als wäre all das Fremde, Unheimliche, das sie in ihren Bann gezogen hatte, nie geschehen. »Die kreisende Stadt ist wieder mit der Welt verankert. Nun können wir ohne Gefahr nach dem Ort des Grals suchen. Kommt!«
    Die drei sahen sich an, entgeistert, fast ein wenig enttäuscht. War es das nun? War das alles gewesen? Nach den gewaltigen Dingen, die sie gesehen hatten, sollte nun das letzte Stück des Weges ganz unspektakulär sein?
    »Kommt!«, wiederholte der Alte. »Ich kenne den Weg.« Im fahlen Zwielicht, das hier herrschte, zusätzlich erhellt von dem glänzenden Metall von Schwert und Speer und dem Licht, das der Stein verbreitete, folgten sie ihm die steinerne Treppe hinauf. Nach etwa hundert Stufen verbreiterte sich der Gang. Zur Rechten und zur Linken öffneten sich Nischen und Kammern, die tief in den Fels führten. Siggi leuchtete mit seinem Schwert hinein. »Da liegen Leichen!«, entfuhr es ihm.
    »Das sind die Krieger Arthurs«, erklärte der Alte, »die im Kampf um Caer Siddi gefallen sind.«
    »Aber wieso liegen sie da wie … wie aufgebahrt?«, wunderte sich Siggi. »Sind sie denn nicht tot?«
    »Sie starben vor vielen Jahren«, sagte der Alte. »Aber vielleicht werden sie eines Tages, wenn der schlafende König erwacht, wieder auferstehen und mit ihm in die letzte Schlacht ziehen.«
    »Wenn«, sagte Hagen, und Gunhild fügte hinzu: »Gesetzt den Fall, dass der schlafende König diesen Tag überhaupt noch erlebt.«
    Sie hatten eine hohe Halle erreicht, einen großen, mit kahlen Gewölben gedeckten Saal, gesäumt von rundbogigen Nischen. Allein der Gedanke an die Arbeit, die notwendig gewesen war, einen solchen Raum aus dem Felsen zu hauen, ließ einen schaudern. Aber es gab noch einen anderen Grund, weshalb es Siggi unheimlich zumute war. Er konnte das Gefühl nicht in Worte fassen. Erst als der Alte sie durch die Halle geführt hatte und sich an der Seite, halb verborgen in einer Nische, ein schmaler Gang auftat, von einem Tonnengewölbe überdeckt, fiel es ihm wie Schuppen von den Augen.
    »Das ist hier genau wie …«
    »… in Camelot Hall«, vollendete Hagen. »Es ist mir auch schon aufgefallen.«
    »Camelot?«, fragte Gunhild verwundert. »So wie König Arthurs Burg?«
    »Nein«, klärte Hagen sie auf. »Das Museum meiner Familie. Wo Siggi und ich uns begegnet sind. Wo alles angefangen hat, mit dem Raub des Kelches und dem Grünen Mann …«
    »Der Grüne Mann?« Sie schluckte. »Davon habt ihr mir nie

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