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Die Kinder von Avalon (German Edition)

Die Kinder von Avalon (German Edition)

Titel: Die Kinder von Avalon (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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geschah.
    Doch von allen, die mit Arthur zogen bei seiner größten Tat,
Kehrte, außer Sieben, keiner zurück von Caer Siddi.
    Was damals wirklich geschah«, fuhr er fort, »das weiß ich nicht mehr. Ich habe zu lange geschlafen; ich kann mich einfach nicht mehr erinnern.«
    »Aber du kennst noch den Weg dorthin?«, fragte Gunhild. »Du weißt, wie man dorthin kommt?«
    »Den Weg kenne ich nicht. Nur seinen Anfang.«
    »Das ist hirnrissig«, sagte Hagen. »Wir wissen nicht, wo es langgeht. Ich habe keine Ahnung, wie viele Männer in das Schiff Prydwen hineingehen, aber es muss eine ganze Menge sein, wenn es sich richtig aufbläht, stimmt’s? Wie sollen wir da etwas erreichen können, wo die größten Helden versagt haben.«
    »Es ist nicht gesagt, dass sie nichts erreicht haben«, meinte der Alte.
    »Und außerdem haben wir das hier.« Siggi zog das Schwert aus der Scheide und legte es auf den Tisch. »Und deinen Speer und Gunhilds Stein – was immer er bewirken mag.«
    »Und wir haben Merlin«, sagte Gunhild. Als die beiden anderen sie ratlos ansahen, meinte sie mit einem Achselzucken: »Nun ja, er war mal ein großer Magier, nicht wahr? Und er hat einen Ruf zu verlieren …«
    Im Gesicht des Alten zuckte es verdächtig, was einem Lächeln fast nahe kam.
    »Was immer das bedeuten mag«, knurrte Hagen.
    Noch am Vormittag brachen sie auf. Die Herrin hatte ihren Dienerinnen aufgetragen, Proviant und Wasser vorzubereiten. Zwei Elben trugen es hinab zum Schiff.
    Stumm zogen sie durch die schweigende Stadt. Die Sonne, die am Morgen noch die Spitzen der Türme mit ihrem Glanz vergoldet hatte, lag nun hinter einem Schleier aus Wolken verborgen. In dem matten Licht wirkte die Stadt noch trister als zuvor. Über das gesprungene und an den Rändern aufgebrochene Pflaster der Straße kamen sie hinab zum Hafen.
    Das Schiff lag noch immer am Kai, leise auf und ab bewegt von dem unmerklichen Schwell der fernen Dünung. Fast hätte Siggi erwartet, es nicht mehr vorzufinden: dass es sich wieder verwandelt hätte in eine Nussschale oder etwas anderes, Unvorstellbares. Aber was er sah, war ein kleines Schiff aus glattem hellen Holz, und das einzig Bemerkenswerte daran war die Vollkommenheit seiner Linienführung, wie ein Schiffbauer dies in der wirklichen Welt nur im Idealfall erreichte.
    Merlin, der Alte, war der Erste, der an Bord ging, stumm, ohne sich auch nur zu verabschieden. Hagen wollte ihm schon nachsteigen, aber Gunhild hielt ihn zurück.
    Rhiannon stand mit ihrem Gefolge am Kai. Jetzt, im klaren mitleidlosen Licht, das jede Spur, jede Falte offen legte, war der Glanz der Göttlichkeit aus ihrem Gesicht geschwunden. Nicht höher und nicht geringer erschien sie als eine schlanke, schmächtige Elbenfrau mit weißem Haar, gebeugt aber nicht gebrochen unter der Last zu vieler Jahre.
    Ist es denn so, dass auch die Unsterblichen altern?, fragte sich Siggi, um sich selbst darauf die Antwort zu geben.
    Er erinnerte sich, dass sogar der mächtige Thor, dessen Hammer er einst getragen hatte, beim Kampf mit dem Alter in die Knie gezwungen worden war. Aber letztlich war er doch Sieger geblieben.
    »Meinen Segen will ich euch mitgeben auf euren Weg«, sprach Rhiannon. »Mögen die Sterne des Sommers über euch leuchten! Und möge jeder von euch am Ende das finden, was er am meisten begehrt!«
    »Amen«, sagte Siggi, weil ihm nichts Besseres einfiel. Hagen verbeugte sich in vollendeter Höflichkeit – Siggi fragte sich, wo er solche Manieren gelernt hatte, aber vermutlich kam es mit der Rolle, die er spielte – und in Gunhilds Augen schimmerte es verdächtig feucht.
    »Ich wünsche mir …«, begann sie, aber die Königin hob die Hand.
    »Nicht jetzt«, sagte sie, »und nicht hier. Denn es ist das Schicksal von Wünschen, dass sie manchmal in Erfüllung gehen. Lebt wohl!«
    Rasch hatten sie das Boot beladen. Gunhild nahm im Bug Platz, Siggi und Hagen bemannten die Ruder. Die Leinen wurden losgemacht, und mit wenigen, geübten Ruderschlägen ging es hinaus aus dem Hafenbecken in den Kanal, der zum Fluss und weiter zum Meer führte.
    An der Flussmündung blickte Gunhild sich noch einmal um. Über den Baumkronen konnte sie jetzt, da die Sonne höher gestiegen war, am Hang die Spitzen der Türme von Avalon erkennen, weiß gegen das Grün der Wälder. Doch während sie noch hinschaute, erschien es ihr, als würde das Bild bereits verblassen wie ein Foto, das zu lange in der Sonne gelegen hat. Ihre Augen füllten sich erneut mit Tränen,

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