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Die Kinder von Avalon (German Edition)

Die Kinder von Avalon (German Edition)

Titel: Die Kinder von Avalon (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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Marmor bedeckte den Boden. Gedämpft fiel das Licht durch hohe, kristallverglaste Fenster und brach sich an den Säulen. Dazwischen hingen, langen Fahnen gleich, Wandbehänge, die seltsame Pflanzen zeigten und Fabelwesen, welche es in der Welt der Menschen seit undenklichen Zeiten nicht mehr gab oder vielleicht nie gegeben hatte. Doch die Farben, die einst bunt und prächtig geleuchtet hatten, waren verblasst, und selbst das Licht, das durch die Fenster fiel, konnte sie nicht mehr zum Leben erwecken.
    »Es sieht aus wie in einer Kirche«, flüsterte Gunhild zu Hagen. Unwillkürlich hatte sie die Stimme gesenkt.
    »Aber es gibt keinen Altar«, gab dieser ebenso leise zurück.
    In der Tat, unter dem Scheitel des Gewölbes, dort wo man bei einer Kirche den Altar erwartet hätte, war nur ein großes viereckiges Loch im Boden, umgeben von einer niedrigen Balustrade. Vorbei an marmorgefassten Wasserbecken, in denen halb verwelkte Rosenblätter trieben, gingen sie darauf zu. Eine Treppe führte dort hinab, breite steinerne Stufen, in deren Ecken sich der Staub gesammelt hatte.
    Rhiannon ging voraus in die Tiefe.
    Die Treppe war lang. Längst war das letzte Licht von oben erloschen, bis auf einen matten Schein, der nicht bis auf den Grund herabdrang. Dafür schimmerte voraus der warme Glanz von Kerzenlicht. Ein Dunst lag in der Luft, erfüllt von brennendem Gold.
    Ein Vorraum nahm sie auf. Dahinter lag eine Art Krypta. Säulenreihen trennten niedrige Gewölbe. In der Mitte erhob sich ein Katafalk: ein steinerner Altar, einem Sarg nicht unähnlich, mit einem Baldachin, der an den Ecken von Säulen getragen wurde. Weiße Gestalten huschten beiseite, als die kleine Gruppe näher trat.
    Doch was auf dem harten Bett lag, war nicht das steinerne Abbild eines Verstorbenen. Es war ein Mensch. Ein Mann, um genau zu sein. Er war in eine schimmernde Rüstung gekleidet. Nur seine Hände, über der Brust verschränkt, und sein Gesicht lagen frei. Sie waren totenbleich. Seine Augen waren geschlossen. Er rührte sich nicht.
    Siggi, Gunhild und Hagen waren unwillkürlich stehen geblieben. Ehrfurcht überkam sie. Dieser Mann, der hier aufgebahrt war, war anscheinend einmal ein großer König gewesen, sodass man ihm im Tod diese Gruft errichtet hatte. Aber …
    Siggi runzelte die Stirn.
    »Irgendwas stimmt hier nicht«, raunte er seiner Schwester zu. »Schau!«
    Und da sah Gunhild auch, was er bemerkt hatte. Auf der wächsernen Stirn hatte sich ein Schweißtropfen gebildet und lief langsam die Schläfe hinunter.
    »Der ist nicht tot.«
    Rhiannon, die weitergegangen war, nahm ein Tuch vom Boden auf, das wohl eine der weiß gekleideten Gestalten fallen gelassen hatte, und tupfte dem Liegenden die Stirn ab.
    »Nein«, sagte sie, »er ist nicht tot. Er schläft. Und eines Tages wird er wieder erwachen, wenn die Not am größten ist. Doch noch nicht. Noch lange nicht.«
    »Aber«, fragte Hagen, »wer ist er?«
    »Lies!«, kam die Stimme des Alten von hinten. »Da steht es geschrieben.«
    In die Frontseite des Katafalks war eine Inschrift eingehauen, fein geschnittene Buchstaben in drei Zeilen:

    »Aber was heißt das?« Siggi kam die ganze Szene unwirklich vor und er erinnerte sich plötzlich, wie er diese Frage schon einmal gestellt hatte, damals in der Kapelle von Camelot Hall, als er vor dem Stein mit dem Schwert stand.
    »›Hier liegt Arturus …‹«, sagte Hagen. »So viel verstehe ich.«
    »› … König einst und König zukünftig …‹«, fuhr Rhiannon fort.
    »› … auf der Insel Avalon‹«, vollendete Siggi.
    Der schlafende König öffnete den Mund und stöhnte. Seine Augenlider flatterten. Aus den Seitenschiffen eilten zwei der Dienerinnen herbei, schlanke, schmächtige Gestalten, in Weiß gekleidet, mit den schmalen Gesichtern und großen Augen des Elbenvolkes. Die eine tupfte ihm die Stirn ab, die andere presste ihm ein Tuch in die Seite. Als sie es wieder hochhob, war es rot vor Blut.
    Gunhild stieß einen leisen Schrei aus. »Er ist verwundet!«
    »Ja«, sagte Rhiannon, »eigentlich müsste er längst tot sein. Nur die Kraft dieses Ortes hält ihn am Leben. Aber diese Kraft schwindet; ihr habt es selbst gesehen. Nur eines könnte ihn jetzt noch retten. Eine Macht, die größer ist als die der Nebel von Avalon …«
    Mit einer Mischung von Staunen und Ratlosigkeit standen die drei da und starrten sie an. Schließlich war es Hagen, der sich als Erster ein Herz fasste.
    »Und was ist das?«, fragte er. »Womit können wir ihm

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