Die Kinder Von Eden : Roman
Analphabeten diktiert, aber von einer Frau mit guter Ausbildung geschrieben wurde?«
»Ja«, sagte Simon. »Das hier ist jedoch eine andere Frau – älter.«
»Also wirst du dich jetzt dranmachen«, sagte Bo zu Judy, »und die Profile von drei unbekannten Personen erstellen.«
»Nein, werde ich nicht«, erwiderte sie. »Ich habe mit diesem Fall nichts mehr zu tun. Hören Sie, Simon, Sie wissen, daß mir das noch mehr Schwierigkeiten einbringen kann, als ich ohnehin schon habe.«
»Also gut.« Er nahm das Band aus dem Recorder und erhob sich. »Jedenfalls habe ich Ihnen alles Wichtige mitgeteilt. Sagen Sie mir Bescheid, falls Sie irgendeinen genialen Einfall haben, den ich an Misthaufen Marvin weitergeben kann.«
Judy führte Simon zur Tür. »Ich werde meinen Bericht sofort ins Office bringen – vielleicht ist Marvin noch da«, sagte er. »Und dann leg‘ ich mich in die Falle. Ich habe mir wegen dieser Sache schon die ganze Nacht um die Ohren geschlagen.« Er stieg in sein Fun-Car und jagte mit aufheulendem Motor davon.
Als Judy zurückkam, setzte Bo gerade grünen Tee auf. Er sah nachdenklich aus. »Also hat dieser abgebrühte Ganove eine Herde von Klasseweibern, die seine Diktate aufnehmen.«
Judy nickte. »Ich weiß, worauf du hinaus willst, glaube ich.«
»Es ist eine Sekte.«
»Ja. Ich hatte recht, als ich an Patty Hearst dachte.« Judy schauderte. Der Mann im Hintergrund mußte eine charismatische Gestalt sein – ein Mann, der Macht über Frauen hatte. Er besaß weder Bildung noch Ausbildung, was aber kein Hindernis für ihn zu sein schien, denn andere führten seine Befehle aus. »Aber irgend etwas paßt nicht ins Bild. Diese Forderung, den Bau neuer Kraftwerke einzustellen, ist einfach nicht … verrückt genug.«
»Da hast du recht«, sagte Bo. »Sie ist nicht spektakulär genug. Ich glaube, diese Leute haben einen ganz sachlichen und eigennützigen Grund dafür, daß sie einen Baustopp verlangen.«
»Ich frage mich«, überlegte Judy, »ob es denen um ein bestimmtes Kraftwerk geht.«
Bo blickte sie an. »Da könnte was dran sein, Judy. Vielleicht befürchten diese Leute, daß ihr Forellenteich verseucht wird oder so was in der Preislage.«
»Irgendwas in der Art«, sagte sie. »Aber es muß ihnen verdammt schwer zu schaffen machen.«
Judy fühlte sich von plötzlicher Erregung gepackt. Sie war auf eine Spur gestoßen.
»Demnach ist die Forderung, den Bau sämtlicher Kraftwerke einzustellen, bloß eine Tarnung. Diese Leute haben Angst, das eine Kraftwerk zu nennen, um das es ihnen wirklich geht, weil sie befürchten, es könnte uns auf ihre Fährte bringen.«
»Aber wie viele Möglichkeiten gibt es da? Kraftwerke werden nicht überall und jeden Tag errichtet. Und meist gibt es vorher Streitigkeiten … mit Bürgerinitiativen, Umweltschützern. Bestimmt ist über jedes geplante Kraftwerk in der Zeitung berichtet worden.«
»Überprüfen wir‘s.«
Sie gingen ins Arbeitszimmer. Judys Laptop stand auf dem Beistelltisch. Manchmal schrieb sie in diesem Zimmer Berichte, während Bo sich eine Footballübertragung anschaute. Der Fernseher lenkte Judy nicht ab, und sie war gern in Bos Nähe. Sie schaltete den Laptop ein. Während sie wartete, bis das Gerät hochgefahren war, sagte sie: »Wenn wir eine Liste von Orten erstellen, an denen Kraftwerke gebaut werden sollen, könnten wir über den FBI-Computer erfahren, ob es in der Nähe der betreffenden Orte irgendwelche Sekten gibt.«
Judy lud die Dateien des San Francisco Chronicle und suchte nach Verweisen auf Artikel über Kraftwerke in den letzten drei Jahren. Der Suchlauf erbrachte 117 Berichte. Judy überflog die Schlagzeilen; die Artikel über Pittsburgh und Kuba ließ sie aus. »Ah, ja, hier ist zum Beispiel von dem Plan die Rede, in der Mojave-Wüste ein Atomkraftwerk zu bauen …«
Judy speicherte den Artikel. »Ein Stausee für ein Wasserkraftwerk im Sierra County … ein erdölbetriebenes Kraftwerk unweit der Grenze zu Oregon …«
»Sierra County?« sagte Bo. »Da läutet‘s irgendwo bei mir. Kannst du den Ort genauer bestimmen?«
Judy klickte den Artikel an. »Ja … der Vorschlag geht dahin, den Silver River aufzustauen.«
Bo runzelte die Stirn. »Silver River Valley …«
Judy wandte sich von dem kleinen LCD-Monitor ab. »Moment mal, das kommt mir bekannt vor … gibt‘s da nicht irgendeine rechtsradikale Vereinigung?«
»Genau«, sagte Bo. »Sie nennen sich Los Alamos. Werden von einem Tablettenjunkie namens Poco Latella
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