Die Kinder Von Eden : Roman
daß Heerscharen von Reportern und Fernsehteams in unsere Siedlung einfallen – zu viele von uns müssen Geheimnisse wahren. Deshalb haben wir den Leuten nicht mal gesagt, daß wir ‚ne Kommune sind. Die meisten von unseren Nachbarn wissen gar nicht, daß es uns gibt, und die anderen glauben, das Weingut wird von Napa aus geleitet und von Saisonarbeitern betrieben. Deshalb hatten wir uns nicht an dem Protest beteiligt. Doch ein paar reiche Bewohner des Tales haben sich Anwälte genommen, und die Umweltschutzorganisationen stellten sich auf die Seite der Ortsansässigen. Hat aber nichts gebracht.«
»Warum nicht?«
»Gouverneur Robson hat sich für den Damm stark gemacht und diesen Burschen, diesen Al Honeymoon, auf die Sache angesetzt.« Priest haßte Honeymoon. Der Mann hatte gelogen und betrogen und die Presse rücksichtslos manipuliert. »Und Honeymoon hat‘s so gedeichselt, daß die Bewohner des Tales von den Medien als ‚ne Handvoll Egoisten hingestellt wurden, die jedem Krankenhaus und jeder Schule in Kalifornien den elektrischen Strom verweigern wollen.«
»Als wäre es eure Schuld, daß manche Leute in Los Angeles Unterwasserbeleuchtungen in ihre Swimmingpools einbauen und ihre Vorhänge mit Elektromotoren zuziehen.«
»Genau. Aber wegen so ‚nem Scheiß bekam die Coastal Electric die Genehmigung, den Damm zu errichten.«
»Und alle Leute da unten werden ihre Häuser verlieren.«
»Außerdem wird ein Pony-Reiterhof verschwinden, ein Wildgehege, mehrere Sommerhäuschen und ein verrückter Haufen bewaffneter Rechtsradikaler, die unter dem Namen Los Alamos bekannt sind. Alle werden entschädigt, nur wir nicht, weil das Land nicht uns gehört. Wir haben‘s auf Ein-Jahres-Basis gepachtet, wie schon seit vielen Jahren. Wir bekommen nichts – für das beste Weingut zwischen Napa und Bordeaux.«
»Und für den einzigen Ort, an dem ich jemals Frieden gefunden habe.«
Priest murmelte ein paar mitfühlende Worte. Genau in diese Richtung sollte das Gespräch verlaufen. »Hatte Dusty immer schon diese Allergieanfälle?«
»Von Geburt an. Er war sogar gegen Milch allergisch – gegen Frischmilch, gegen pasteurisierte Milch, sogar gegen Muttermilch. Nur dank Ziegenmilch hat er überlebt. Damals wurde mir klar, daß die menschliche Rasse irgend etwas verkehrt machen muß, wenn die Erde dermaßen verseucht ist, daß selbst mein Baby nicht einmal mehr meine Muttermilch verträgt, weil sie zu viele Giftstoffe enthält.«
»Aber du warst mit dem Jungen bei Ärzten.«
»Michael hat darauf bestanden. Ich wußte, daß es nichts bringt. Die Ärzte haben uns Mittel gegeben, die Dustys körperliche Reaktionen auf Allergene hemmen sollten, aber gleichzeitig sein Immunsystem geschwächt haben. Was ist das denn für eine Methode, seine Krankheit zu behandeln? Dusty braucht reines Wasser, saubere Luft, eine gesunde Lebensweise. Ich glaube, ich habe schon seit seiner Geburt nach einem Ort wie diesem gesucht.«
»Das war ‚ne schlimme Zeit für dich.«
»Du machst dir gar keine Vorstellung davon! Eine getrennt lebende Frau mit einem kranken Kind kann sich in keinem Job halten, kriegt keine vernünftige Wohnung, kann nicht leben. Da denkst du, Amerika ist ein wundervolles Land – doch es ist überall der gleiche Mist.«
»Als ich dich kennengelernt habe, warst du ziemlich am Boden.«
»Ich hätte mich beinahe umgebracht – und Dusty auch.«
Melanie traten Tränen in die Augen.
»Dann hast du dieses Tal entdeckt.«
Ihr Gesicht wurde dunkel vor Zorn. »Und jetzt wollen sie‘s mir wegnehmen.«
»Das FBI behauptet, wir hätten das Erdbeben gar nicht ausgelöst. Und der Gouverneur hat überhaupt nichts dazu gesagt.«
»Zum Teufel mit denen allen! Dann tun wir‘s eben noch einmal!
Aber diesmal müssen wir dafür sorgen, daß sie das Beben nicht ignorieren können.«
Genau das hatte Priest von ihr hören wollen. »Aber es müßte wirkliche Schäden verursachen, Gebäude zum Einsturz bringen und so. Dabei könnten Menschen verletzt werden.«
»Aber uns bleibt doch keine andere Wahl.«
»Wir könnten das Tal verlassen, die Kommune auflösen und in unser altes Leben zurückkehren: geregelte Jobs, Geld, verpestete Luft, Habgier, Neid und Haß.« :
Jetzt hatte er Melanie verängstigt. »Nein!« rief sie. »Sag nicht so was!«
»Ich glaube, du hast recht. Jetzt können wir nicht mehr zurück.«
»Ich bestimmt nicht.«
Wieder ließ Priest den Blick über das Tal schweifen. »Wir werden dafür sorgen, daß hier alles
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