Die Kinder Von Eden : Roman
Haus am Stadtrand, das an einen Golfplatz grenzte. Judy trank in der Küche Kaffee, während Michael sich darum kümmerte, daß sein Sohn sich eingewöhnte. Mrs. Quercus sagte bekümmert: »Vielleicht wird diese schreckliche Sache wenigstens Michaels Firma in Schwung bringen – dann hätte das ganze Elend wenigstens ein Gutes.«
Judy fiel wieder ein, daß Michaels Eltern Geld in seine Beraterfirma gesteckt hatten und daß Michael sich Sorgen darüber machte, ob er das Geld überhaupt würde zurückzahlen können. Doch Mrs. Quercus hatte recht – daß Michael als Erdbebenexperte für das FBI arbeitete, konnte sich als hilfreich für ihn erweisen.
Das Erdbeben. Judy mußte an den seismischen Vibrator denken. Im Silver River Valley hatten sie ihn nicht gefunden, und seit Freitagabend war er nicht mehr gesehen worden. Allerdings waren die Bretter aufgetaucht, mit denen er als Kirmesfahrzeug getarnt worden war: Einer der ungezählten Katastrophenhelfer, die in Felicitas noch immer mit Aufräumungsarbeiten beschäftigt waren, hatte sie am Rand einer Straße entdeckt.
Judy wußte, mit welchem Fahrzeug Granger jetzt unterwegs war. Bei den Vernehmungen der Kommunebewohner hatte sie erfahren, welche Autos sie fuhren, und dann überprüft, ob Fahrzeuge fehlten. Priest war mit dem Lieferwagen der Kommune unterwegs, worauf Judy eine Fahndungsmeldung mit der Beschreibung des Fahrzeugs herausgegeben hatte. Theoretisch müßte jeder Cop in Kalifornien nach dem Lieferwagen Ausschau halten, doch die meisten Beamten waren viel zu sehr damit beschäftigt, sich um die Notfälle zu kümmern.
Vielleicht, überlegte Judy – und der Gedanke war beinahe unerträglich für sie -, hätte sie Granger in der Kommune erwischt, wenn sie noch entschlossener durchgegriffen und Cleever davon überzeugt hätte, bereits am vergangenen Abend eine Razzia in der Siedlung vornehmen zu lassen, nicht erst am heutigen Morgen. Aber sie war einfach zu müde gewesen. Inzwischen fühlte sie sich besser – die Razzia hatte einen Adrenalinstoß ausgelöst und Judy mit einem letzten Rest von Energie erfüllt. Doch sie fühlte sich körperlich und seelisch ausgelaugt und mit ihren Kräften fast am Ende.
Auf der Küchenanrichte stand ein kleiner Fernseher. Das Gerät war eingeschaltet, der Ton jedoch abgestellt. Als die Nachrichten gesendet wurden, bat Judy Mrs. Quercus, die Lautstärke aufzudrehen. Ein Interview mit John Truth wurde gezeigt, der am Telefon mit Granger gesprochen hatte. Truth spielte Ausschnitte dieses Gesprächs vor, das er auf Band mitgeschnitten hatte.
»Sieben Uhr«, erklang Grangers Stimme. »Heute abend um sieben Uhr kracht‘s.«
Judy schauderte. Er meinte es ernst. In seiner Stimme lagen kein Bedauern, keine Reue, kein Anzeichen dafür, daß er zögern würde, das Leben unzähliger Menschen aufs Spiel zu setzen. Er klang sachlich und vernünftig, was jedoch darüber hinwegtäuschte, daß dieser Mann nicht voll zurechnungsfähig war. Der Tod und das Leid anderer Menschen machten Granger nichts aus – eines der Merkmale eines Psychopathen.
Judy fragte sich, was Simon Sparrow aus Grangers Stimme heraushören würde. Aber nun war es zu spät für psycholinguistische Analysen. Judy ging zur Küchentür. »Michael!« rief sie. »Wir müssen los!«
Sie hätte ihn gern hier gelassen, bei Dusty. Hier waren beide in Sicherheit. Aber sie brauchte Michael in der Einsatzzentrale. Seine Fachkenntnisse konnten von entscheidender Bedeutung sein.
Er kam mit Dusty in die Küche. »Ich bin gleich soweit«, sagte er. Das Telefon klingelte, und Mrs. Quercus nahm ab. Nach ein paar Sekunden hielt sie Dusty den Hörer hin. »Ist für dich«, sagte sie.
Dusty nahm den Hörer und sagte zaghaft: »Hallo?« Dann erstrahlte sein Gesicht. »Hi, Mom!«
Judy erstarrte.
Es war Melanie.
»Ich bin heute morgen aufgewacht, und du warst weg!« sagte Dusty. »Dann ist Daddy mich holen gekommen.«
Melanie war bei Priest, und der wiederum befand sich mit größter Wahrscheinlichkeit im Versteck des seismischen Vibrators. Eilig nahm Judy ihr Handy hervor und wählte die Nummer der Einsatzzentrale. Raja meldete sich. »Verfolgen Sie ein Gespräch zurück«, sagte Judy leise. »Melanie Quercus ruft gerade einen Teilnehmer in Stockton an.«
Sie las Raja die Nummer vom Telefon der Quercus‘ vor. »Der Anruf kam vor etwa einer Minute. Das Gespräch ist noch im Gange.«
»Ich mach‘ mich dran«, sagte Raja.
Judy unterbrach die Verbindung.
Dusty lauschte in den
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