Die Kinder Von Eden : Roman
aus, wie Judy sich fühlte.
Mit der linken Hand richtete sie die Waffe auf ihn. »Stell das Ding ab!« rief sie. »Stall‘s ab!«
»Okay«, sagte Granger. Er grinste und griff unter den Sitz.
Sein Grinsen alarmierte Judy. Sie wußte, daß Granger den Vibrator nicht abstellen würde. Judy wappnete sich, den Mann erschießen zu müssen.
Sie hatte noch nie einen Menschen erschossen.
Grangers Hand zuckte mit einer Waffe in die Höhe, die wie ein Revolver in einem Western aussah.
Der lange Lauf schwenkte zu Judy herum. Sie richtete ihre Waffe auf Grangers Kopf und drückte ab.
Die Kugel traf ihn neben der Nase ins Gesicht.
Granger feuerte einen Sekundenbruchteil später. Der Mündungsblitz und die Schußdetonation waren fürchterlich. Judy spürte einen brennenden Schmerz an der rechten Schläfe.
Jetzt zahlte sich ihr jahrelanges Training aus. Man hatte Judy gelehrt, stets zweimal zu feuern, und ihre Muskeln reagierten ganz von selbst. Ohne daß ihr Hirn den Befehl erteilte, drückte sie ein zweites Mal ab. Diesmal traf sie Granger in die Schulter. Blut spritzte durch die Fahrerkabine. Grangers Körper wurde zurückgeschleudert. Er prallte mit dem Kopf gegen die Fahrertür, und die Waffe rutschte ihm aus den schlaffen Fingern.
Großer Gott! Ich hatte keine Ahnung, daß es so gräßlich ist, wenn man jemanden tötet.
Judy spürte, wie ihr eigenes Blut über ihre rechte Wange rann.
Sie kämpfte gegen eine Woge von Schwäche und Übelkeit an. Noch immer hielt sie die Waffe auf Granger gerichtet.
Der seismische Vibrator war noch immer in Betrieb.
Judy starrte auf das Gewirr aus Hebeln und Knöpfen und Anzeigen. Soeben hatte sie den einzigen Menschen weit und breit erschossen, der wußte, wie man den Vibrator abstellte. Panik stieg in ihr auf, und Judy wehrte sich verzweifelt dagegen. Irgendwo muß es einen Schlüssel geben!
Es gab einen.
Sie beugte sich über Ricky Grangers regungslosen Körper und drehte den Schlüssel.
Augenblicklich trat Stille ein.
Judy ließ den Blick über die Straße schweifen. Vor dem Lagerhaus der Perpetua Diaries war der Hubschrauber in Flammen aufgegangen.
Michael!
Judy stieß die Tür des Lasters auf und kämpfte gegen eine drohende Bewußtlosigkeit an. Sie wußte, daß sie noch irgend etwas hätte tun müssen, etwas Wichtiges, bevor sie Michael zu Hilfe kam, doch ihr wollte einfach nicht einfallen, was es war. Sie schüttelte den Gedanken ab und stieg aus dem Laster.
In der Ferne erklang eine Polizeisirene, die rasch lauter wurde. Kurz darauf sah Judy einen Streifenwagen heranjagen. Sie winkte dem Fahrer, anzuhalten. »FBI«, sagte sie keuchend. »Bringen Sie mich zu dem Helikopter.« Sie öffnete die Wagentür und ließ sich in den Sitz fallen.
Der Polizeibeamte fuhr Judy die knapp vierhundert Meter bis zum Lagerhaus und hielt in sicherer Entfernung vor dem brennenden Hubschrauber. Judy stieg aus. In der Pilotenkanzel war niemand zu sehen. »Michael!« rief sie. »Wo bist du?«
»Hier drüben!« Er stand hinter den zertrümmerten Flügeltüren des Lagerhauses und beugte sich über den Piloten. Judy eilte zu ihm. »Der Mann braucht Hilfe«, sagte Michael. Er schaute Judy ins Gesicht.
»Großer Gott! Und du nicht minder!«»Es geht schon«, sagte sie. »Und Hilfe ist unterwegs.« Sie zog ihr Handy hervor und rief die Einsatzzentrale an. Raja meldete sich. »Was ist passiert, Judy?« fragte er.
»Das sollten Sie mir sagen, verflixt noch mal!«
»Der seismische Vibrator arbeitet nicht mehr.«
»Ich weiß. Ich hab‘ das Ding zum Stillstand gebracht. Hat es Erdstöße gegeben?«
»Nein. Es ist überhaupt nichts passiert.«
Vor Erleichterung wurden Judy die Knie weich. Sie hatte den Vibrator rechtzeitig abgestellt. Die Gefahr eines Erdbebens war gebannt.
Judy fühlte sich plötzlich so schwach, daß sie sich an die Wand des Lagerhauses lehnte. Sie hatte Mühe, auf den Beinen zu bleiben.
Sie fühlte sich nicht als Siegerin, verspürte kein Gefühl des Triumphs. Später vielleicht, wenn sie mit Raja und Carl und den anderen zusammen war, in Everton‘s Bar. Doch im Augenblick war sie nur zu Tode erschöpft.
Ein weiterer Streifenwagen fuhr heran, und ein Polizist stieg aus. »Lieutenant Forbes«, stellte er sich vor. »Großer Gott, was ist denn hier passiert? Wo ist der Täter?«
Judy wies die Straße hinunter auf den seismischen Vibrator. »Er ist im Fahrerhaus des Lasters da hinten«, sagte sie. »Tot.«
»Dann wollen wir‘s uns mal anschauen.« Der Lieutenant stieg
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