Die Kinder Von Eden : Roman
keinen O-Saft dabei, Herrgott noch mal!« schimpfte Melanie.
Dusty fing an zu weinen.
Melanie war eine hochgradig nervöse Mutter, ständig getrieben von der Angst, sie könne etwas falsch machen. Die ewige Sorge um Dustys Gesundheit hatte sie übervorsichtig werden lassen; gleichzeitig führte ihre nie nachlassende Anspannung dazu, daß sie im Umgang mit ihm oft gereizt reagierte. Fest davon überzeugt, daß ihr Mann irgendwann versuchen würde, ihr den Jungen wegzunehmen, lebte sie in der unablässigen Furcht, sie könne etwas tun, was Michael zum Vorwand dienen mochte, sie als schlechte Mutter darzustellen.
Priest griff ein. »He, verflixt, was ist denn das für ein Ding, das da hinter uns herkommt?« Er tat, als wäre er furchtbar erschrocken.
Melanie drehte sich um. »Ist doch bloß ein Laster«, sagte sie.
»Das glaubst auch nur du! Das Ding ist bloß als Lastwagen getarnt! In Wirklichkeit ist es ein Kampfraumschiff von Alpha Centauri und mit Photonentorpedos ausgerüstet. Dusty, ich brauche deine Hilfe: Du mußt dreimal an die Heckscheibe klopfen, damit sich unser unsichtbarer magnetischer Abwehrschirm öffnet! Beeil dich!«
Dusty klopfte an die Scheibe.
»Wenn er seine Torpedos abfeuert, blitzt auf der Backbordseite ein orangefarbenes Licht auf, Dusty. Du solltest darauf achten.« Der Lastwagen kam rasch näher. Etwa eine Minute später blinkte er nach links und scherte zum Überholen aus.
»Feuer!« rief Dusty. »Er schießt!«
»Okay«, sagte Priest. »Ich versuche, den magnetischen Abwehrschirm zu stabilisieren, und du feuerst zurück! Deine Wasserflasche ist eigentlich eine Laserkanone!«
Dusty zielte mit der Flasche auf den Lastwagen und gab Schußgeräusche von sich. Nun fiel auch Spirit ein und bellte den vorbeiziehenden Laster wütend an. Melanie mußte lachen.
Als das schwere Fahrzeug vor ihnen wieder einscherte, sagte Priest: »Uff! Ein Glück, daß wir das heil überstanden haben! Schätze, fürs erste haben sie genug.«
»Kommen da noch mehr Centaurier?« fragte Dusty gespannt. »Ihr zwei, du und Spirit, müßt aufpassen, was hinter uns los ist, ja? Und laßt es mich sofort wissen, wenn euch was auffällt!«
»Okay.«
Melanie lächelte und sagte leise: »Danke. Du kannst so gut mit ihm umgehen.«
Ich kann mit allen gut umgehen: mit Männern, Frauen, Kindern, sogar mit Haustieren. Ich habe Charisma. In die Wiege gelegt worden ist mir das nicht – ich habe es gelernt. Man muß bloß andere Menschen dazu bringen, daß sie tun, was man von ihnen erwartet. Egal, worum‘s geht, ob nun um eine treue Gemahlin, die man zum Ehebruch überredet, oder um die Beruhigung eines kratzbürstigen Kindes. Alles, was man braucht, ist Charme …
»Sag mir, an welcher Ausfahrt wir rausmüssen«, sagte Priest.
»Immer den Schildern Richtung Berkeley nach.«
Melanie hatte keine Ahnung, daß er nicht lesen konnte. »Vermutlich kommen mehrere in Frage. Sag mir einfach kurz vorher Bescheid.«
Ein paar Minuten später fuhren sie von der Schnellstraße ab und gelangten in die üppig begrünte Universitätsstadt. Priest spürte, wie Melanies Anspannung wuchs. Ihm war klar, daß ihr ganzer Haß auf die Gesellschaft und ihre tiefe Enttäuschung über den bisherigen Verlauf ihres Lebens in irgendeiner Weise mit dem Mann zusammenhing, den sie sechs Monate zuvor verlassen hatte. Jetzt dirigierte sie Priest über verschiedene Kreuzungen bis zur Euclid Avenue, einer Straße mit eher bescheidenen Einfamilienhäusern und Wohnblocks, in denen vermutlich Doktoranden und jüngere Lehrkräfte zur Miete wohnten.
»Ich halte es immer noch für besser, wenn ich allein reingehe«, sagte sie.
Das kam gar nicht in Frage. Dazu war Melanie nicht gefestigt genug. Solange ihr noch nicht einmal in seiner Begleitung zu trauen war, würde er den Teufel tun und sie sich selbst überlassen.
»Nein«, beschied er sie.
»Vielleicht kann ich …«
Er ließ sie einen Anflug von Unmut spüren: »Nein!«
»Schon gut«, sagte Melanie hastig und biß sich auf die Lippen.
»He, das ist doch das Haus, wo Daddy wohnt!« rief Dusty aufgeregt.
»Ja, das stimmt, mein Schatz«, sagte Melanie und deutete auf ein nicht allzu hohes Gebäude mit Stuckverzierungen. Priest parkte am Straßenrand.
Melanie drehte sich zu ihrem Sohn um, doch Priest kam ihr zuvor: »Der Junge bleibt im Wagen.«
»Ich weiß nicht, wie sicher es …«
»Der Hund bleibt auch hier.«
»Und wenn er es mit der Angst zu tun bekommt?«
Priest wandte sich direkt an
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