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Die Kinder Von Eden : Roman

Die Kinder Von Eden : Roman

Titel: Die Kinder Von Eden : Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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schon mit Hilfe der Drohung durchsetzen zu können.«
    »Wohingegen der emotionale Typ eher bereit wäre, Menschenleben aufs Spiel zu setzen.«
    »So ist es. Zum nächsten Punkt. Die Intention ist entweder politischen oder kriminellen Ursprungs – oder es steckt ein geistiger Defekt dahinter.«
    »In diesem Fall ist sie politisch, jedenfalls auf den ersten Blick.«
    »Richtig. Politische Ideen können als Vorwand für eine Tat dienen, die im Grunde genommen purer Wahnsinn ist. Aber meinem Gefühl nach ist das in diesem Fall nicht so. Was meinen Sie?«
    Judy begriff, worauf er hinauswollte. »Sie wollen mich glauben machen, daß diese Leute rational handeln. Aber die Drohung, ein Erdbeben auszulösen, ist doch reiner Wahnsinn!«
    »Darauf komme ich noch zurück, okay? Punkt drei: Zielauswahl . Diese ist entweder beliebig, oder sie richtet sich gegen etwas Spezielles. Der Versuch, den Präsidenten zu ermorden, ist etwas Spezielles; ein Amoklauf mit einer Maschinenpistole in Disneyland ist beliebig. Gehen wir doch einfach mal diskussionshalber davon aus, daß die Drohung mit dem Erdbeben ernst zu nehmen ist. Bei einem Erdbeben kämen zweifellos viele Menschen um, die zufällig zu den Opfern gehören. Also ist die Zielauswahl beliebig.«
    Judy beugte sich vor. »Gut, wir haben also eine funktionale Motivation, eine politische Intention und eine beliebige Zielauswahl. Welche Schlüsse ziehen Sie daraus?«
    »Im Lehrbuch heißt es, daß diese Leute entweder verhandeln wollen oder die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit suchen. Meiner Meinung nach wollen sie verhandeln. Ginge es ihnen um Publicity, hätten sie ihre Botschaft nicht in einem obskuren Bulletin Board im Internet veröffentlicht, sondern sie an einen Fernsehsender oder die Presse gegeben. Da sie das jedoch nicht getan haben, glaube ich, daß sie einfach nur mit dem Gouverneur ins Gespräch kommen wollen.«
    »Dann sind sie aber reichlich naiv, wenn sie sich einbilden, daß der Gouverneur solche Botschaften liest.« »Dem kann ich nur zustimmen. Diese Leute verraten eine seltsame Mischung aus differenziertem Denken und Ahnungslosigkeit.«
    »Aber sie meinen es ernst.«
    »Ja – und dafür gibt es noch einen weiteren Grund, nämlich ihre Forderung. Einen Baustopp für neue Kraftwerke nimmt man nicht bloß als Vorwand her – der ist viel zu vernünftig. Zur Vorspiegelung falscher Tatsachen wählt man irgendwas Irres, Überkandideltes, etwa ein Verbot von Klimaanlagen in Beverly Hills oder dergleichen.«
    »Was sind das also für Leute, verdammt noch mal?«
    »Das wissen wir noch nicht. Der typische Terrorist folgt unwillkürlich einem Eskalationsschema: Zunächst begnügt er sich mit Drohanrufen und anonymen Briefen. Dann schreibt er an Zeitungsredaktionen und Fernsehsender. Als nächstes streicht er um irgendwelche Amtsgebäude herum und läßt seiner Phantasie freien Lauf. Ist er endlich soweit, daß er sich mit einer kleinen, billigen Handfeuerwaffe im Plastikbeutel bei einer Touristenführung ins Weiße Haus einschleicht, haben wir schon haufenweise Daten über ihn im FBI-Computer. Auf den vorliegenden Fall trifft dieses Schema nicht zu. Ich habe den linguistischen Fingerabdruck mit sämtlichen terroristischen Drohungen verglichen, die jemals eingegangen und bei Quantico gespeichert worden sind. Keine paßt. Diese Leute sind neu.« »Demnach wissen wir gar nichts über sie?«
    »Doch, eine ganze Menge sogar. Erstens leben sie ganz offensichtlich in Kalifornien.«
    »Woher wollen Sie das wissen?«
    »Ihre Botschaft ist ›an den Gouverneur des Staates‹ gerichtet. Lebten sie in einem anderen Staat, würden sie sich an den Gouverneur des Staates Kalifornien wenden.«
    »Was wissen wir sonst noch?«
    »Es handelt sich um Amerikaner. Es gibt keine Hinweise auf eine bestimmte ethnische Gruppe: Ihre Sprache zeigt keine Spuren einer Ausdrucksweise, wie sie für Schwarze, Asiaten oder Lateinamerikaner typisch wäre. Auch der Begriff ›Kinder von Eden‹ – da klingt noch etwas vom Idealismus der sechziger Jahre mit.«
    »Eines haben Sie aber vergessen«, wandte Judy ein. »Was?«
    »Daß diese Leute verrückt sind.«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Kommen Sie, Simon!« sagte Judy. »Die bilden sich ein, sie könnten ein Erdbeben erzeugen! Sie müssen verrückt sein.«
    Simon beharrte auf seinem Standpunkt. »Ich habe keine Ahnung von Seismologie, aber in der Psychologie kenne ich mich aus. Und als Psychologe kann ich mich mit der Theorie, daß diese Leute

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